Das eigene Buch. Eitelkeit oder Freiheit – berühmt oder glücklich?
Von der Kunst, ein Buch ganz allein zum Erfolg zu führen.
Das eigene Buch. Eitelkeit oder Freiheit? Willst Du berühmt sein oder glücklich?
»Wer bereit ist, Freiheit zu opfern, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder das eine noch das andere, und wird am Ende beides verlieren.« Ein Zitat von Benjamin Franklin, das immer zwei Seiten in mir anklingen lässt. Und dessen Zwiespalt wohl jeder von uns schon einmal ausgesetzt war. Ich zuletzt bei meinem ersten eigenen Buch Projekt.
Von Kindheitsfreunden und -träumen.
Seit ich denken und lesen konnte, wollte ich schon immer einmal ein Buch schreiben. Als Kind waren Bücher und Geschichten meine besten Freunde. Sie entführten mich in andere Welten und brachten mir fremde Länder und andersartige Lebenskonzepte oder -philosophien nahe. Kleine Fluchten aus einem überschaubaren, dörflichen Leben im Südschwarzwald.
Es mag wohl an meiner frühkindlichen Leselust gelegen haben, dass Sprache, Schreiben und das Spielen mit Worten auch in der Schule zu meinen Lieblingsdisziplinen gehörten. Manch einer behauptet, es läge mitunter an meinem Aszendenten Zwilling. Woran auch immer es liegen mag, Schreiben und Lesen ist seit jeher mein Ding. Seitenlange, meist handgeschriebene Briefe an Freunde gehörten in meiner Jugend zu einem meiner liebsten Hobbies, das ich mit zunehmendem Alter wieder reaktiviert habe.
»Schreib doch ein Buch!«, wie oft hatte ich diesen Satz über die Jahre gehört von Freunden, Bekannten und meinem Ehemann. »Deine Texte und E-Mails sind immer so bildhaft, erheiternd und auf dem Punkt.«
»Worüber denn?«, oft fiel mir als Antwort darauf nur ein Zitat meines Lieblings-Komikers Karl Valentin ein:
»Es ist schon alles gesagt. Nur noch nicht von allen!«
Der Blick in unsere Bücherregale und die meiner Lieblingsbuchhandlungen veranlasste mich einfach nicht dazu, ein weiteres Buch zu produzieren. Obwohl der Trend zum Zweitbuch ja angeblich anhält…Es gab lange Zeit einfach nichts, was so sehr in mir brannte, dass es zwischen zwei Buchdeckel wollte. Bis mein Mann die verrückte Idee gehabt hatte, mit mir und unserem Hund in vier Wochen 500 km und 40’000 Höhenmeter zu Fuss über die Alpen von München nach Venedig zu wandern.
Der Schritt von der Alpenüberquerung zum Roman.
Vor diesem Abenteuer hatte ich nicht im Ansatz geahnt, welche Emotionen diese vierwöchige Wanderauszeit in mir auslösen werde. Und wie nachhaltig sie sein würden. Unsere Erlebnisse, die spannenden Begegnungen und Geschichten am Wegesrand und nicht zuletzt die unglaublich schönen Landschaften wollten im Anschluss ganz dringend irgendwo festgehalten werden.
Ich begann, all das aufzuschreiben. Zunächst nur für mich als Erinnerung und Verarbeitung. Beinahe Tag und Nacht sass ich am PC, formulierte und schrieb. Mann und Hund wurden in dieser Zeit arg vernachlässigt. Wer schon einmal in einen derartigen »Flow« geraten ist, weiss sicherlich, was ich meine. Am Ende hatte ich 360 Seiten verfasst.
Hatte ich bisher auf meinem eigenen Blog www.nurmut.ch in Reportagen und Geschichten mit Fotos über unsere Reisen oder den »ganz normalen Lebenswahnsinn« berichtet, war dieses Manuskript nun etwas ganz anderes. Zu umfangreich für einen Blog. Da flammte sie wieder auf, die Idee mit dem eigenen Buch.
Ich schickte das Konzept, eine Inhaltsangabe und Auszüge des Manuskriptes an einige Verlage, die mir geeignet erschienen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen mehr oder weniger begründete Absagen, wieso diese Geschichte nicht ins Portfolio passe. Ehrlich gesagt, hatte ich nichts anderes erwartet. Dennoch war ich ein wenig enttäuscht. Jedoch nicht demoralisiert. Denn wenn es schwierig wird kommt mir mein Sternzeichen jedes Mal zur Hilfe. Der Optimismus und unbändige Wille des Löwen, Dinge zu schaffen und zu siegen.
»Dann mach ich das Buch eben alleine. Pah!«
Auch mein Mann unterstützte mich mit Rat und Tat in diesem Vorhaben. Vor allem, indem er mir als Grafikprofi ein wunderschönes Cover gestaltete.
Ich machte mich also auf die Suche nach einem geeigneten Selbstverlag. Um zunächst nur ein einzelnes Exemplar für uns drucken zu lassen, ohne gleich in die Vollen gehen zu müssen. Nach langen Recherchen landete ich schliesslich bei der Firma BoD – Books on Demand. Deren Konzept gefiel mir gut. Denn wenn Bücher nur nach Auftrag bzw. konkreter Nachfrage gedruckt werden und nicht zu Tausenden auf Halde produziert, hat das einen grossen Umweltvorteil, der für mich Sinn macht.
Das erste eigene Buch – von der Geschichte bis zum Lektorat.
Unbeschreiblich der Moment, als mein erstes, gedrucktes Buchexemplar mit der Post ankam, und ich es in Händen hielt! Ich fand es nicht nur wunderschön, sondern stellte fest, dass es mir auch viel besser als Vorlage zum nochmaligen Lektorat dienen konnte. Ich fand noch einige Flüchtigkeitsfehler in der gedruckten Version, die mir bei zigfachem Durchlesen am PC schlicht durchgerutscht waren.
Denn ja, ich hatte auch das Lektorat selbst gemacht. Eine Frage, die mir oft ungläubig gestellt wird. Geht das denn? Ist das professionell? Ich schätze, diese Frage muss sich jeder Autor selbst stellen. Ob er damit leben kann, individuelle Ausdrücke und Sätze in seinem Buch zu belassen, auch wenn diese möglicherweise nicht dem derzeitigen Mainstream und Zeitgeist entsprechen. Oder sich mit dem einen oder anderen Tippfehler einfach abfinden zu können.
Jede Leseratte weiss inzwischen, dass auch in Bestsellern und hochgelobten Romanen grosser Autoren und Verlage IMMER auch Fehler zu finden sind. Egal, wie viele Lektoren am Werk waren. Gehörst Du auch zu den aufmerksamen Lesern, die sie immer finden? Ich freu mich jedes Mal, wenn ich über einen stolpere. Nicht aus Schadenfreude, sondern als Beweis dafür, dass Lektoren auch nur Menschen sind. Und Verlage auch nur mit Wasser kochen. Sind es nicht gerade die kleinen Fehler und Imperfektionen, die das menschliche Leben und seine Individualität zuweilen ausmachen?
Jedenfalls korrigierte ich mein Buch anhand meiner ersten gedruckten Version final und liess den Titel mit dem korrigierten Manuskript bei BoD schliesslich zum Verkauf zu. Was bedeutet, dass das Buch eine offizielle ISBN Nummer erhielt und damit auf allen Buchlisten und in allen digitalen Katalogen aufgeführt wird, aus denen sich der Buchhandel und alle Online Händler bedienen. Damit war mein Werk für Händler und Leser erhältlich und bestellbar.
Spannend! Mein erstes Buch ging öffentlich…
Damit hat man natürlich noch kein einziges Exemplar verkauft. Denn wer in der Welt hat bitte schön mitbekommen, dass Frau Petra Kochgruber aus Gais im Appenzellerland ein amüsantes Buch geschrieben hat über ein Alpenabenteuer mit Hund?
Marketing ist alles – nach der Knochenarbeit ist vor der Knochenarbeit.
Wenn man ein Buch ohne Verlag zum Erfolg führen möchte, bedeutet das nicht nur, ein interessantes, fehlerfreies Werk abzuliefern mit einem Thema, für das es eine Zielgruppe gibt. Man muss die Zielgruppe auch darüber informieren, dass es dieses Buch gibt. Und darüberhinaus idealerweise auch Menschen ausserhalb der Zielgruppe ansprechen.
Marketing ist das Zauberwort. Glücklicherweise war genau das jahrelang meine Profession in grossen internationalen Firmen. Aber es ist eine ganz andere Liga, ob man eine entsprechende Visitenkarte mit dem richtigen Firmennamen zücken kann, um Presse- oder Vertriebskontakte zu knüpfen. Oder ob man unter eigenem, noch unbekanntem Namen »Klinken putzen muss«.
»Petra Kochgruber. Guten Tag!« – »Petra wer?«
Ehrgeizig und zäh, wie ich seit jeher nun mal bin, hatte ich mir, zusammen mit meinem Mann, der mich moralisch und technisch unterstützte, vorgenommen, ein »Low-Budget-Marketing-Konzept« anzustreben. Nur unsere eigene Arbeitskraft und -zeit als Invest. Keine teure PR Agentur, keine bezahlten Anzeigen in Zeitschriften oder auf Online Plattformen. Stattdessen der eigene Blog, unbezahlte Social Media Kampagnen und klassische PR in Zielgruppen gerechten Zeitschriften und Zeitungen.
Eine wirklich interessante Erfahrung, sein eigenes Produkt einmal so ganz allein unter dem eigenen Namen zu vermarkten. Ganz ohne Riesenbudgets, Agenturen und berühmte Firmennamen im Nacken.
Wir produzierten unseren eigenen Film zur Tour und zum Buch, den wir auf YouTube stellten. Und ich sorgte für PR Artikel in Wander- und Hundezeitschriften.
Buchhandels Realität – Literatur wird zur schnelllebigen Ware mit Verfallsdatum.
Das Schöne an der Zusammenarbeit mit BoD als Autor ist, dass man die Buchumsätze sehr zeitnah online sehen kann. Welche Freude, als die ersten Bestellungen dort eingegangen waren und mein Buch in der BoD Bestsellerliste erschien.
Und was für ein Gefühl, als mein Buchtitel bei amazon erschien. Auch wenn ich selbst kein typischer Amazonkunde bin, sondern seit jeher viel lieber in kleinen Lieblingsbuchläden in der Schweiz und Deutschland stöbere und einkaufe.
Doch gerade dieser klassische Buchhandel, den ich seit ewigen Zeiten hochhalte und unterstütze, wurde mir ausgerechnet bei meinem eigenen Buch im Selbstverlag beinahe zum Hindernis. Denn selbstverlegte BoD Bücher sind im Handel wenig goutiert und werden nur widerwillig ins Sortiment aufgenommen, wenn überhaupt.
Die Margen für die Händler sind geringer als bei klassischen Verlagsbüchern. Und es gibt kein Rückgaberecht für die Händler wie bei den grossen Verlagen. Die den Händlern im Zweifel Tonnen eines für Bestsellerlisten bestimmten Buches liefern, damit die Kunden in der Buchhandlung quasi darüber stolpern und es am Ende förmlich kaufen müssen. Nach einem fulminanten Produktlaunch, oft mit Lesung oder Event verbunden, werden dann nicht verkaufte Exemplare vom Verlag wieder zurück genommen. Ein Nullrisiko für den Handel, der zugegebenermassen seit amazon & Co. sehr zu kämpfen hat.
Ich konnte bei meinen regionalen »Buchhandels-Runden«, wo ich Probe-Exemplare und Informationsmaterial an die Buchhändler verteilte, sehr schnell feststellen, dass ich als BoD Autor wenig interessant war für den kleinen Buchhändler ums’ Eck.
»Das Leben ist bekanntlich kein Schlotzer«, ich bin jedoch grundsätzlich erst richtig motiviert, wenn es schwierig wird. So schaffte ich es durch Beharrlichkeit und mit Charme, mein Buch auch physisch in einigen Buchhandlungen in der Schweiz und in Deutschland erfolgreich zu platzieren.
In St. Gallen war die für das Genre zuständige Mitarbeiterin am Ende so begeistert vom Absatz des Titels, dass sie ihn mehrfach nachbestellt hatte. Was ich von Zeit zu Zeit persönlich »kontrollierte«, wenn ich sowieso dort war. Und jedes Mal ein erquickliches, informatives Schwätzchen mit ihr hielt.
In Deutschland organisierte ich mit meiner Lieblingsbuchhändlerin schliesslich eine Lesung, die wir zu einem kleinen Event ausbauten.
Mit Filmvorführung und freier Erzählung in Kombination mit gelesenen Textpassagen. Natürlich durfte dabei unser vierbeiniger Hauptakteur, Monsieur Monet, nicht fehlen. Der persönlich gern die vielen Lobeshymnen und Streicheleinheiten der begeisterten Leser und Kunden während der anschliessenden Apéro- und Signierstunde entgegen nahm.
Auch in meinem Schweizer Heimatdorf veranstalteten wir dieses Event mit sehr grosser Resonanz vor Ort und in der Presse.
Hätten wir die Zeit, Lust und Ressourcen gehabt, weitere Handels- Touren in Deutschland und der Schweiz in dieser Art zu unternehmen, wir wären vermutlich auf offene Türen gestossen. Eine liebe Leserin meines Buches, mit der mich seitdem eine sehr nette, grenzüberschreitende Bekanntschaft verbindet, hatte sogar ihrerseits bei ihrer Buchhändlerin in Deutschland für mich nach einem Lese Event angefragt. (Danke Dir nochmals dafür, liebe Gisela!). Bisher hatten wir noch nicht die Gelegenheit dazu…aber wer weiss.
Ein Buch eröffnet ungeahnte Kontakte und Möglichkeiten
So wie diese nette Bekanntschaft mit einer begeisterten Leserin ergaben sich im Laufe der Zeit weitere, schöne Kontakte, E-Mail-Austausch und Feedbacks. Möglicherweise ist man als selbst verlegender Autor, der persönlich mehr in Erscheinung tritt, eher ein Autor »zum Anfassen«, bei dem die Leser weniger Berührungsängste haben. Das erste eigene Buch lief jedenfalls sehr gut, die vielfältigen, selbst initiierten Marketingaktivitäten trugen Früchte und fanden viele begeisterte Leser und Redakteure.
So sehr, dass auch meine Lieblingsbuchhändlerin in Deutschland der Meinung war, so ein Buch und eine derart aktive, publikumswirksame Autorin brauche einen klassischen Verlag. Oder die klassischen Verlage bräuchten so eine extrovertierte Autorin mit Eigeninitiative. Wie auch immer. Sie schickte eines meiner Bücher an einen grossen Verlag mit der Empfehlung, es in sein Sortiment aufzunehmen. Ich fühlte mich geehrt und freute mich sehr.
Es handelte sich bei diesem Verlag um einen derjenigen, bei denen ich es ganz am Anfang des Buchprojekts selbst schon versucht und eine lapidare Absage erhalten hatte. Das machte die Sache für mich umso spannender.
In einem Roman würde man nun vielleicht sagen, wie abgeschmackt ist das denn? Klingt ja kitschig. Denn der Verlag meldete sich nach einiger Zeit tatsächlich bei mir und wollte das Buch unbedingt aufnehmen.
»Wieso haben Sie das Buch denn bei BoD verlegt und sind nicht gleich zu uns gekommen?«, so die leicht vorwurfsvolle Frage der Programmleiterin. »Ohne Worte!« Die Verlagsbranche vergisst schnell. Die Dame war nun jedenfalls Feuer und Flamme und wollte das Buch schnellstmöglich unter ihrem Verlagslabel auf den Markt bringen. »Über die Vertragsbedingungen werden wir uns ganz bestimmt einig werden. Keine Sorge!«, sagte sie mir eifrig am Telefon. Denn sie hatte mich auf Reisen am Mobiltelefon erreicht, mitten in Marokko .
Die anfängliche, schnöde Absage hatte ich inzwischen längst abgehakt und schwebte im siebten Himmel. Ein grosser, bekannter Verlag wollte mein Buch und mich als Autorin. Sogar nach weiteren, möglichen Buchprojekten und Themen hatte man mich bereits gefragt. Sie waren offensichtlich überzeugt von meiner Schreibkunst.
Von Kobolden, die auf Schultern wohnen und in Ohren flüstern.
Mein kleiner Kobold »Eitelkeit«, der auf meiner rechten Schulter wohnt, tanzte vor Freude Tango! »Endlich im Zenit der Buchautoren angekommen! Jetzt werden wir berühmt!«
Er überhörte dabei geflissentlich meinen anderen treuen Ratgeber namens »Freiheit«, der auf der linken Schulter leise Zweifel säte und zur Vorsicht mahnte: »Willst Du Dich wirklich vertraglich binden? Hast Du schon vergessen, dass die Dich nicht wollten, bevor Du nicht selbst die diversen Marketingkanäle bedient und das Buch zum Laufen gebracht hattest?«
Wie so oft in meinem Leben stritten die beiden Antipoden »Eitelkeit & Ehrgeiz« sowie »Freiheitsliebe & Authentizität« miteinander. Erst recht, als ich endlich nach einigen Wochen, in denen ich vehement darauf gedrängt hatte, einen Vertragsentwurf in Händen hielt. Während sich mein selbst verlegtes BoD Buch weiter erfolgreich verkaufte.
»Never change a winning team!«, flüsterte mir die Freiheit ins linke Ohr, »wieso willst Du unbedingt zu einem Verlag, wenn es auch ohne so gut läuft? Du bist Dein eigener Herr!«
»Du wirst berühmt werden und verkaufst noch viiiiiel mehr Bücher, wenn Du unter Vertrag stehst. Und auch für weitere Werke ist ein Verlag Dein Türöffner!«, säuselte die Eitelkeit in mein rechtes Ohr.
Dazu die Argumentation der Programmleiterin des Verlages: »Mit uns bekommen sie Präsenz in den Buchhandlungen. In der Unterstützung des stationären Buchhandels liegt unser Hauptschwerpunkt. Und bedenken sie die vielen Marketingaktivitäten, die wir für Ihr Buch durchführen werden!«
Auf Anfrage, wie diese Aktivitäten denn konkret aussähen, bekam ich leider keine Antworten. Ausser den Reichweitenangaben von Fernsehzeitschriften, die der Verlag PR mässig bedienen wollte. Fernsehzeitschriften? Für einen Roman übers Fernwandern mit Hund? Ich wunderte mich. Und mein Kopf brummte von all den Argumenten, die sich wie ein Karussell darin drehten.
Seine eigene Haut billig zu Markte tragen?
Der Vertragsentwurf machte mich gar nicht glücklich. Denn damit hätte ich alle Rechte an dem Buch und den verwendeten Bildern komplett abgetreten. Das Autorenhonorar war darüberhinaus ein Witz in meinen Augen. Wieviel mehr Bücher hätte der Verlag verkaufen müssen, damit ich die Autorenmarge von BoD gehabt hätte? Rein rechnerisch fünfmal so viele.
Aber es war weniger das Honorar, das mir Kummer bereitete. Denn jeder, der jemals ein Buch geschrieben hat, weiss, dass man davon alleine in den meisten Fällen sowieso nicht leben kann. Nicht mit und nicht ohne Verlag. Nur wenn man Bücher am laufenden Band produziert, quasi industriell fertigt, und vom Literaturbetrieb und den Verlagen zum Bestseller gepusht wird, hat man hauptberuflich eine Chance. Dabei ist jedoch leider oftmals Masse statt Klasse gefragt, man sollte verlagskonform agieren und schreiben, was der Markt und Zeitgeist gerade wünscht, wenn man einzig und allein vom Bücher Schreiben leben möchte. Der arme Poet von Spitzweg ist nicht nur ein Klischee.
Was mich neben der monetären Seite viel mehr störte an dem umfassenden, verklausulierten Vertragswerk, war die Abhängigkeit, in die ich mich mit meinem Herzensprojekt begeben hätte. Die Rechte, Auflagenmengen, ob nachproduziert würde und wann, ab welchem Zeitpunkt das Buch unter anderem Label auf den Markt käme oder gar gänzlich verramscht würde. All diese Entscheidungen und noch mehr hätte ich an den Verlag abgetreten. Die Rechte an unseren persönlichen Fotos, inklusive dem Titelfoto unseres geliebten Hundes ebenfalls.
Dafür wollte der Verlag selbstverständlich (unentgeltlich) alle von mir bereits installierten Marketing Tools wie den YouTube Film, die Blogaktivitäten, inklusive GPS Daten der Tour zum Herunterladen, und auch die Zitate der bereits erschienen PR-Artikel und Reportagen für ihre Vermarktung nutzen. Aus deren Sicht verständlich. Ich hatte aber gar kein gutes Gefühl dabei.
»Das ist eben so üblich! Denk an die Stückzahlen. Vielleicht landest Du mit Monet im Fernsehen. Markus Lanz? Ein Invest in die Zukunft. Weitere Bücher sind dann schon so gut wie gesetzt.« Meine innere Stimme der Eitelkeit fand immer neue Argumente »pro Verlag«, die mich nachts schon nicht mehr schlafen liessen.
Während mein Freiheitsgefühl auf der anderen Seite tapfer dagegen hielt: »Das ist eine Eintagsfliege. Wenn der erste Hype nach dem Buchlaunch vorbei sein wird, macht der Verlag keinen Finger mehr krumm für Dich und Dein Buch. Die haben dann schon wieder Dutzende von Neuerscheinungen, um die sie sich kümmern müssen. Und nach der ersten Auflage wird im Zweifel nicht nachgedruckt oder schlimmer noch, Dein Buch landet bei Aldi in der Ramschkiste. Und Du bekommst Druck, schnellstens ein neues Buch zu schreiben, mit dem dann der ganze Marketingzirkus, im Fachjargon »Produktlebenszyklus« von vorne beginnt.«
Ich war lange genug tätig in Marketing und Vertrieb von Konsumgütern, um zu wissen und zu verstehen, wie der heutige Markt funktioniert. Da kommt es auf das Produkt beinahe gar nicht mehr an. Und auch die in Ehren hochgehaltene Literatur macht in unserer schnelllebigen Zeit des ewig Neuen da leider keine Ausnahme mehr.
Kunden und Händler brauchen stetig neue Kaufanreize. Bestseller Listen überholen sich beinahe selbst. Heute Top, morgen Flop! Und die begrenzten, teuren Ladenflächen in A-Lagen tun das Übrige dafür, dass nur noch schnell umsetzbare Produkte dort überhaupt Einzug finden. Diese wiederum können nur durch exzessive, teure Marketingaktivitäten beim Zielpublikum derart gepusht werden, dass sie bei schwindendem Verkaufs-und Beratungspersonal zum Selbstläufer werden. Ein Dilemma, in dem nicht nur die Buchbranche seit Jahren steckt. Und das mir erst so richtig bewusst wurde, als ich mich selbst konfrontiert sah mit diesem »Knebelvertrag«.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet…
Um ja nichts falsch zu machen, und weil meine Eitelkeit mir partout keine Ruhe liess, bemühte ich sogar eine deutsche Anwältin, die sich auf Verlagswesen spezialisiert hatte. Ihr Beratungshonorar war mir die Sache wert. Stand ich doch mit einem Bein auf dem Weg zur literarischen Berühmtheit. Und gefühlt mit dem anderen auf Abwegen. Denn ich hatte das unbestimmte Gefühl, meine Werte, meine sehr persönliche Geschichte und damit auch die unseres gemeinsamen Abenteuers viel zu billig zu Markte zu tragen und zu verraten.
Die Juristin meinte nur, das sei ein durchaus üblicher Autoren- und Buchvertrag. Einzig beim Honorar könnte ich noch nach verhandeln, das erscheine ihr eher am unteren Rand. Was möglicherweise mit der vorherigen Veröffentlichung über BoD zusammenhängen könne. Ich war völlig demoralisiert. Das sollte also normal sein? Meine Hochachtung vor der Literaturwelt, Verlagen und auch vor den Autoren selbst bekam kleine Risse. Ich hatte inzwischen nicht mal mehr Lust, eine Buchhandlung zu betreten, was ich zuvor geliebt hatte.
Die anfängliche Freude über mein schönes, von vielen geschätztes Buch begann umzuschlagen. Und trotzdem obsiegte noch immer der Wille, die Verlagskooperation zu einem guten Ende führen zu wollen, und Herrn Monet mit seinem Rucksack demnächst in allen Buchhandlungen liegen zu sehen.
»Für wie lange?«, meldete sich wieder mein innerer Freigeist. »Ist es das wert, Dein Buch vielleicht drei, vier Wochen in den Regalen oder auf den Tischen der Buchhändler liegen zu sehen? Wer gibt Dir die Garantie bei den vielen Neuerscheinungen? Und danach? Du siehst nicht einmal, wie gut es laufen wird. Denn du bekommst nur einmal im Jahr eine Abrechnung vom Verlag. Du kannst nicht einmal eingreifen, wenn irgendwas nicht so gut läuft. Selbst wenn, möchtest Du für fünfmal weniger Honorar denselben Marketingaufwand betreiben wie als Selbstverlegerin, weil Du möglicherweise mit den Marketingaktivitäten des Verlags unzufrieden bist?«
Ich könnte endlos weiter über schlaflose Nächte berichten, in denen sich meine beiden inneren Stimmen Wortgefechte geliefert hatten. Argumente dafür und dagegen. Während ein vom Verlag minimalistisch nachgebesserter, einseitig unterschriebener Vertrag meiner Unterschrift harrte.
Ein Zufall half mir schliesslich, endlich eine Entscheidung zu fällen. Als ich wieder einmal bei amazon die Rezensionen, Lagerbestand und den Verkaufsrang meines BoD verlegten Buches prüfen wollte, erschienen dort plötzlich zwei verschiedene Bücher mit meinem Titel.
Eins davon der Verlagstitel mit dem Hinweis, dass dieses Buch in 11 Monaten von besagtem Verlag erhältlich und bereits ab sofort vorbestellbar wäre.
Ich fiel aus allen Wolken. Wir hatten noch nicht einmal einen gültigen Vertrag miteinander abgeschlossen,und ich hatte noch kein Manuskript eingeschickt. Aber mein Buch wurde bereits online vermarktet auf der im stationären Buchhandel umstrittensten Plattform. Mit all meinen bisher geleisteten Vorarbeiten wie Lesevorschau, Kundenrezensionen, Pressestimmen. Von einem Verlag, der mir im Vorfeld so sehr seine Kooperation mit dem Buchhandel versichert hatte und seine Wertschätzung vor allem gegenüber der kleinen Buchläden. Ich traute meinen Augen nicht.
Sogar jetzt noch meldete sich meine Eitelkeit zu Wort: »Siehst Du, wie sehr die an Dein Buch glauben!«
Jetzt begannen jedoch endgültig meine Freiheitsliebe, mein Verstand und all meine Werte zu rebellieren. »Willst Du Dein Herzensprojekt wirklich mit einem Geschäftspartner weiterführen, der Dich im Vorfeld schon derart anlügt und verarscht? Der so gierig und umsatzgetrieben ist, dass er jegliche Professionalität über Bord wirft? Und an Dir vorbei Dinge einfach tut ohne Absprache und vertragliche Basis? Pfeif auf den grossen deutschen Verlag, die Stückzahlen, das Ansehen und die Berühmtheit. Lieber ehrlich, klein, still, fein und Dein. Und frei. Als gross, laut, unzuverlässig und abhängig.«
Das Zitat von Benjamin Franklin ging mir nicht mehr aus dem Kopf:
»Wer bereit ist, Freiheit zu opfern, um Sicherheit zu gewinnen,
verdient weder das eine noch das andere, und wird am Ende beides verlieren.«
Freiheit siegt über Eitelkeit.
Ich hatte mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Und hatte auch versucht, jegliches Verständnis für den harten Verlagsalltag und einen schwer umkämpften, schrumpfenden Buchmarkt aufzubringen. Der, wie alle Branchen, Neues immer schneller und spektakulärer präsentieren muss. Und Mainstream Bestseller am laufenden Band produzieren, um in der Kakophonie des Marketing-Gefasels überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Aber weder mein Roman noch meine persönlichen Werte und Einstellungen passten in dieses Spiel. Meine glückliche Situation, weder finanziell noch sonst irgendwie abhängig zu sein von diesem einen Projekt, ermöglichte mir letztendlich, meine Eitelkeit niederzuringen und zu meinem Freigeist zu stehen. Ich habe es keine Sekunde bereut.
Im Gegenteil, seit sieben Jahren verkauft sich mein Buch stetig zu meiner grossen Zufriedenheit. Sogar in Übersee und im europäischen Ausland. Inzwischen habe ich Stückzahlen verkauft, die sich mit Verlagsveröffentlichungen mehr als messen können und mein anfangs gesetztes Absatzziel längst überschritten haben.
Aber das Wichtigste: ich durfte viele tolle Leser kennenlernen, die sich gefreut haben über mein Buch, sich inspiriert fühlten und Kontakt zu mir aufgenommen haben. Die Rezensionen auf amazon und anderen Seiten sind echt und authentisch, keine gekauften Fakes oder Verlagsrezensionen.
Ich muss zugeben, es fühlt sich verdammt gut an, ein Projekt von A bis Z ganz allein und frei aufzugleisen. Und zum Erfolg zu führen. Auch meine Eitelkeit ist inzwischen wieder befriedigt, aber auf ganz andere Art und Weise.
Natürlich ist mir klar, dass meine persönliche Verlagserfahrung nur eine von vielen ist. Und dass es durchaus seriöse, faire Verlagskooperationen gibt, die für Autoren Vorteile haben. Auf keinen Fall möchte ich hier eine ganze Branche in Verruf bringen, sondern vielmehr aufzeigen, dass man stets auf sein Bauchgefühl hören sollte. Sich Zeit nehmen für weitreichende Entscheidungen und lieber einmal mehr darüber schlafen, bevor man endgültig urteilt. Nur Dinge tun, mit denen man sich persönlich am Ende uneingeschränkt wohl fühlt. Und dass man sich öfter traut »Nein« zu sagen, auch wenn einem die eigene Eitelkeit oder andere Menschen versuchen, etwas anderes zu suggerieren.
Berühmt möchte ich inzwischen nicht mehr werden, denn ich bin sehr glücklich darüber, täglich völlig unbehelligt und frei mit Herrn Monet durch die Landschaft und das dörfliche Idyll unseres Schweizer Dorfes flanieren zu können. Still beobachten und wahrnehmen zu können, was um mich herum Spannendes oder Skurriles passiert. Und Stoff zu sammeln für mein nächstes Herzensprojekt «Höhlengereift», an dem ich gerade schreibe. Das solange dauern wird, wie es eben braucht. Und das inzwischen ebenfalls realisiert wurde und zum Verkauf steht. Ohne Druck, Vorgaben oder Abgabetermine. Einfach weil ich es so möchte, wie ich es will. Mit der freien Option, es eines Tages zu veröffentlichen oder für mich zu behalten. Ganz wie es mir beliebt.
Ist Freiheit nicht etwas Wunderbares? Wir sollten sie uns bewahren, wo immer es geht. Sie macht unser Menschsein aus.
Mit welchen kleinen Kobolden und Dämonen kämpfst Du immer wieder einmal? Wo hat Deine Freiheit über die Eitelkeit und Deinen Ehrgeiz gesiegt oder umgekehrt? Und was hat das mit Dir gemacht? Schreib mir gern einen Kommentar, wie Du über das Thema denkst…ich freu mich auf Deine Meinung.
nurMut, es ist nicht immer Gold, was glänzt. Und wir Menschen sind viel freier, als wir oft vermuten. Trau Dich!
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