»Laubsägen« oder was hat ein kiffendes Schaf mit Meditation zu tun?

Schafe sind die besseren Menschen...

K(l)eine Anleitung zum Glücklichsein

Wieviele Bücher, Ratgeber, Blogs und Videos gibt es wohl zum Thema »Finden der inneren Mitte«, »Kreativität«, »Achtsamkeit«, »Entspannung«, »Selbstverwirklichung« etc…

Wieviele davon hast Du schon gelesen und vielleicht doch keinen Weg zum selbstvergessenen Tun, zu mehr Zufriedenheit und zu Deiner inneren Mitte gefunden?

Keine Sorge, dies wird nicht der hundertausendste esoterische Artikel zu diesem Thema. Schon gar keine Anleitung zum Glücklichsein. Denn der Weg zum persönlichen Glück ist so vielfältig und verschieden wie die knapp acht Milliarden Menschen auf unserer Erde.

Vielmehr möchte ich eine amüsante, wenn auch beinahe philosophische Geschichte darüber erzählen, wie ich über das Laubsägen zu einem kiffenden Schaf kam, und was das mit »Meditation« oder der »inneren Mitte« zu tun hat. Und wie einem das Leben manchmal ganz unverhofft Ideen beschert, aus denen eine echte Passion entstehen kann, von der man zuvor gar nichts ahnte. 

Aus der Not eine Tugend machen oder »selbst ist die Frau«.

Alles begann mit zwei quadratischen Rasenstücken vor unserem Haus, die ich dekorierte mit einem gekauften Froschkönig aus Blech, einem hellgrünen Tennisball als «Goldene Kugel« und mit dem Slogan: »Küss mich!«, ebenfalls aus gekauften Holzbuchstaben, die ich in den Rasen steckte.

»Naja«, wirst Du nun denken, »langweilig, diesen gekauften Gartenkitsch sieht man ja immer mal wieder in Vorgärten. Wo bleibt denn da die Leidenschaft und was hat das mit Meditation zu tun?«

Wart’s ab…

Einige Zeit später lancierte eine unserer grossen Schweizer Parteien, die nicht unumstrittene, konservative SVP, wieder einmal eine ihrer unsäglich populistischen Werbekampagnen für eine politische Abstimmung. Es ging um Zuwanderung und den Umgang mit kriminellen Ausländern. Dafür wurde die ganze Schweiz mit Plakaten zugepflastert, auf denen ein »schwarzes Schaf« von mehreren weissen Schafen mit einem Fusstritt über die Schweizer Grenze hinaus gekickt wurde.

Ohne hier nun zu politisch werden zu wollen, oder über die Notwendigkeit des konsequenten Umgangs mit Kriminellen jeglicher Nationalität zu diskutieren, fand ich persönlich die Wahl des Sujets unterirdisch schlecht und mit Verlaub auch rassistisch. Von allen populistischen, rassistischen Kampagnen der SVP erschien mir diese bisher am meisten missglückt. Und da wir in der Schweiz in einer direkten Demokratie leben, was ich persönlich sehr schätze, fühlte ich mich irgendwie animiert, auf meine Art und Weise in meinem kleinen Mikrokosmos darauf zu reagieren.

Als Sprachliebhaber und Wortkünstler inspirierte mich das Kampagnen Wort »AusSCHAFfung« zusätzlich, das es so nur hier in der Schweiz gibt. Und mir kam eine Idee…

Ich wollte wenigstens in unserem Wohnquartier eine kleine Gegenkampagne starten, um meinem Ärger über eine derart geschmacklose Plakatwerbung Luft zu machen. Meine Rasenbeete sollten als Plattform dienen. Dafür brauchte ich ebenfalls Schafe und noch viel mehr Buchstaben als die paar wenigen, die ich für meine Frosch Deko bereits gekauft hatte. »Woher bekomme ich denn jetzt auf die Schnelle weisse und schwarze Schafe?«, fragte ich mich. »Und eigentlich nervt es mich auch, immer in die Stadt fahren zu müssen, um Holzbuchstaben zu kaufen für meine Beet Installationen«.

Da ich oft laut denke, bekam auch mein Mann davon Wind. Und da Robert ein Mann der Tat ist, bekam ich kurze Zeit später von ihm nicht nur ein komplettes Laubsägen Set sondern auch Sperrholzplatten und Acrylfarben mit Pinseln als Geburtstagsgeschenk. Während sich andere Frauen meines Alters vielleicht eher über modische Handtaschen, Schmuck , ein teures Abendessen im Sterne Restaurant oder eine Wellness Reise freuen, musste ich herzhaft lachen über dieses originelle Geschenk und freute mich einmal mehr über die kreativen Geschenkideen meines Mannes und diese erneute Punktlandung. Obwohl ich zugeben muss, dass ich bis dato noch nie eine Laubsäge in der Hand gehabt hatte und leicht perplex dieses seltsame Instrument begutachte.

Aber frei nach meinem Lebensmotto: »Es gibt nichts, was man nicht kann«, begann ich zunächst einmal mit Säge-Übungen. Parallel zeichnete ich Comic Schafe, die mir als Schablonen dienen sollten und Buchstaben.

Bei geöffnetem Garagentor sass ich also in alter Jeans und T-Shirt tagelang und werkelte. Sägte, schliff und malte bis ich meine erste »Do-it-yourself« Beet Dekoration fertig hatte. Inklusive politischem Statement.

»Comic Figuren laubsägen in meinem Alter?« Naja, als Kind träumte ich oft davon, später einmal als Comiczeichner meine Brötchen zu verdienen. Denn Asterix, die Peanuts, Donald Duck und der Pink Panther waren damals einige meiner besten Freunde. Und ich bewunderte ihre geistigen und künstlerischen Väter. Dennoch wirst Du vielleicht denken, die spinnt ganz schön. Ich gebe zu, dass ich mir anfangs selbst Gedanken gemacht hatte, was denn wohl die Nachbarn so denken würden.

Unverhoffte persönliche Kontakte, Geständnisse und Erkenntnisse

Aber wie so oft im Leben hatte ich mir wieder viel zu viele Gedanken gemacht. Denn kaum war die Schaf Dekoration installiert, erhielt ich bereits eine E-Mail einer Nachbarin, die wohl ebenfalls meiner Meinung und politisch ähnlich eingestellt war. Bisher hatten wir noch nicht viele Worte miteinander gewechselt, nun meldete sie sich jedoch proaktiv bei mir, weil ihr die Schafe, das Statement und die Aktion wohl gefallen hatten. Und um mich zu fragen, ob ich denn auch bei einer Unterschriftenaktion gegen die SVP Kampagne mitmachen würde, bei der sie federführend mitwirkte. Und schon hatte ich wieder einen persönlichen Kontakt mehr in der NachbarSCHAFt.

Und es sollte nicht der letzte bleiben, denn beinahe alle umliegenden Anwohner blieben neugierig bei den Beeten stehen, machten sich ihre Gedanken, grinsten oder sprachen mich direkt an, wenn sie mich zufällig sahen. »Darf ich das fotografieren?«, fragten einige. Sie durften.

Ich gebe zu, es gefiel mir, auf diese etwas andere Art mit meinen Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Und auch das Laubsägen hatte mir irgendwie total viel Spass gemacht. Denn ich tauchte völlig ein in das, was ich tat, musste mich einerseits konzentrieren, um nicht daneben zu sägen, konnte andererseits aber auch die Gedanken schweifen lassen und über dieses und jenes Thema in Ruhe nachdenken bis sich die Gedanken ganz aufzulösen begannen. Und ich nur noch in meiner Tätigkeit aufging. Mit der Zeit merkte ich, dass mich das Laubsägen regelrecht beruhigte, wenn ich mal wieder einen stressigen Tag oder mich über irgendetwas geärgert hatte.

So wie manch einer sein Adrenalin beim Joggen, Biken, Yoga oder vielleicht beim Putzen und im Garten abbauen kann, funktioniert das bei mir sehr gut mit dem Laubsägen. Für mich als aktiven Menschen besser als jede Meditation. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass beim Justieren meiner inneren Mitte nebenbei auch noch etwas entsteht, das mir und meinen Mitmenschen ein Lächeln entlockt.

So überlegte ich mir zu meinen Comic Schafen eine kleine Fortsetzungs-Geschichte, die gespannt von den Nachbarn und ihren Besuchern verfolgt wurde. Würde das »Grauli« wohl das »Rosalie« für sich gewinnen können?

Und was entstünde dann weiter daraus?

Welche Rolle spielen die Appenzeller Schafe und schlüpfen Lämmer wirklich aus Eiern?

Welche exotischen ReisebekanntSCHAFten durften die Schäfli schon in ihrem Beet begrüssen?

Während ich in der Garage säge, kommt immer mal wieder jemand aus der NachbarSCHAFt vorbei, bleibt stehen und fragt gespannt, was es denn als nächstes im Beet zu sehen gäbe? Und nicht nur das, mit der Zeit entwickelte sich mein Laubsäge Platz in der Garage zu einem Ort der Kommunikation, wo mir einige ihr Herz ausschütten oder sich endlich trauen, von ihren teils ungewöhnlichen Hobbies oder Passionen zu erzählen. Ähnlich wie beim Wandern, wenn man das Gegenüber nicht direkt anschaut, sondern nebenher etwas tut und dennoch zuhört, verlieren die Menschen ihre Scheu und fassen Vertrauen. So ergeben sich wunderbare Gespräche, die viel zitierte Schweizer Distanziertheit weicht einer unbeschwerten, persönlichen, mit viel Lachen und Schmunzeln gewürzten Kommunikation. Und manch eine oder einer liefert mir sogar die Idee für ein nächstes Thema. Oder sitzt fröhlich auf dem Bänkli vor den Beeten, um ein wenig auszuruhen, zu plaudern oder abends mit uns ein Glas Wein zu trinken.

Manchmal muss man etwas »Verrücktes« einfach mal tun, damit die anderen auch wagen, über ihre aussergewöhnlichen Ideen oder Sehnsüchte zu plaudern. Denn wie bereits der Ire George Bernard Shaw so treffend formuliert hatte:

»Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht euch an, wohin uns die normalen gebracht haben.«

Kinder wie Erwachsene in unserem Quartier haben Spass an den Comic Figuren und dem einen oder anderen Wortspiel, über das sie manchmal erst ein wenig nachdenken müssen. Wusstest Du, wieviele Worte es mit »SCHAF« gibt? – Verbal ein äusserst dankbares Sujet!

Aber auch andere Tiere und Sujets fanden inzwischen den Weg in meine Werkstatt, ins Beet oder an die Wohnungs- oder Reisemobilwände. Allen voran natürlich mein geliebter Hund Monet, der als Berggänger oder Surfer unsere Wände ziert…

Hör auf, Deine innere Mitte verzweifelt zu suchen, zu gegebener Zeit wird sie Dich finden.

Wann hast Du das letzte Mal etwas gemacht, das Dir weder Geld noch Ruhm einbrachte? Weniger humorvolle Zeitgenossen bemerkten natürlich mitunter kritisch: »Wieso machst Du dir denn soviel Arbeit? Du verdienst doch gar nichts mit dem Laubsägen. So viele Arbeitsstunden ohne Lohn.«

Nach wirtschaftlichen Kriterien betrachtet haben sie natürlich recht. Denn für die Beete verlangen wir natürlich keinen Eintritt, es steht auch kein Hut oder Sparschwein daneben.
Ja klar, ich würde in dieser Zeit deutlich mehr in meinem alten Job oder mit dem Schreiben von Texten und Reportagen verdienen. Aber muss man alles im Leben immer in Heller und Pfennig umrechnen? Fühlt man sich nur gut, wenn man mit seinem Tun öffentlichen Ruhm und Ansehen geniesst, die sich auch in materiellen Werten widerspiegeln? Und wieviel Zeit schlägt man ehrlicherweise unproduktiv vor Fernseher, PC oder Handy tot, ohne dafür wirklich belohnt zu werden oder ein positives Gefühl für sich persönlich oder für andere zu gewinnen?

Sind es nicht vielmehr die kleinen, unverhofften Dinge im Leben, die rechts und links des »normalen«, vorgegeben Weges unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems liegen? Die zwischenmenschlichen, nicht monetären Belohnungen und Momente, die uns ein tiefes, nachhaltiges Glücksgefühl vermitteln? Und eine innere Zufriedenheit. Ein gutes Gespräch, ein Lächeln oder das zufriedene Schmunzeln, wenn man einem »Schäfli« aus Holz ein klein wenig Seele eingehaucht hat und dabei die Alltagssorgen vergessen gingen.

Auch hierzu hat Georg Bernard Shaw einen schönen Satz geprägt:

»Glück ist ein Stuhl, der plötzlich dasteht, wenn man sich zwischen zwei andere setzen will.«

Inzwischen habe ich hier übrigens kleine »Workshops zum Thema Laubsägen« veranstaltet und andere mit diesem etwas anderen Hobby angesteckt. Natürlich unentgeltlich und nur zum Spass. Aber wer weiss? Vielleicht ist Laubsägen oder neudeutsch: »Jigsawing« das neue Yoga von morgen. Schliesslich haben Steve Jobs und Bill Gates auch mal ganz klein in einer Garage angefangen…😉

nurMut…egal, welche Idee Dir das Leben einflüstert. Probier sie aus, und sei sie noch so verrückt. Wenn Du bei der Umsetzung glücklich bist, Du die Welt um dich herum dabei vergisst und Deine Umgebung mit Deiner Begeisterung anstecken kannst, hat es sich schon gelohnt. Und dann ist es total egal, was die Nachbarn darüber denken…»Love & Peace!« ☮

4 Kommentare zu »Laubsägen« oder was hat ein kiffendes Schaf mit Meditation zu tun?

  1. Liebe Petra,
    Ich habe die Geschichte bis zu Ende genossen.Mit Fliegendeleichtichkeit und Lustig geschrieben.Gartenfiguren sind so gekonnt,dass ich dachte,was aus dir geworden wäre wenn du Kunst studiert hättest. Klasse..
    Viele grüsse
    Ibrahim

    • Lieber Ibrahim, dankeschön! Ja, das hab ich mich tatsächlich auch schon ab und zu gefragt. Was wäre gewesen, wenn ich Kunst studiert hätte…oder Literatur…oder…oder aber es ist ja zum Glück nie zu spät, Dinge einfach zu tun, die einem Freude machen. Wir sind ja noch jung 😉
      Beste Grüsse Petra

  2. Heidi Schönberger // 14/08/2020 um 21:26 // Antworten

    Liebe Petra, schön, dass es dir/euch gut geht. Tolle Idee, obwohl ich von schweizer Politik keine Ahnung habe, ich begreife auch unsere nicht ;-).
    Handwerken ist ein tolles Hobby, ich liebe es auch und genieße das Werken zu Hause sehr, nachdem ich 11 Wochen in Marokko zum absoluten nichts tun gezwungen wurde. Liebe Grüße in die Schweiz, Heidi

    • Liebe Heidi, schön, dass Du wieder gesund zuhause gelandet bist und zuhause wieder werkeln kannst. Ganz viele liebe Grüsse nach Österreich & Happy Birthday von Löwin zu Löwin 🦁

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