Südspanien – Hippie-Paradies oder Rentner-Hölle?

Mit Wohnmobil und Hund im Winter in Südspanien unterwegs.

Südspanien - Hippie-Paradies oder Rentner-Hölle?

Südspanien mit Wohnmobil im Winter – Hippie-Paradies oder Rentner-Hölle?

Letzten Dezember brachen wir mit unserem Reisemobil und Hund auf, um in gut drei Monaten Südspanien im Winter zu erkunden. Nachdem wir Unterschiedliches und Widersprüchliches gehört hatten über das winterliche Hippie-Paradies, wie es die einen nennen, oder die Rentner-Hölle, wie andere behaupten, wollten wir uns selbst ein Bild vom sonnigen Süden Europas in der Wintersaison machen.

Pink Ballet kurz vor der Grenze

Die Anreise kürze ich ab, nur soviel ganz kurz. Es lohnt sich auf jeden Fall, von Deutschland, Österreich oder aus der Schweiz kommend, einen ersten Zwischenstopp in der Camargue in Südfrankreich zu machen. Wir übernachteten auf einem Stellplatz in Palaves-les-Flots, einem herzigen, kleinen Hafenstädtchen, direkt am Mittelmeer.

Südspanien - Hippie-Paradies oder Rentner-Hölle?

Winterliche Abendstimmung in Palaves-les-Flots, Camargue

Neben dem charmanten Städtchen findet der Reisende hier herrliche Spazierwege entlang der typischen Salzlagunen, wo man ganz nah und »live« dem eleganten Synchronballett der prächtig pinken Flamingos zusehen kann. Ein einmaliges Erlebnis.

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Flamingo Ballett

Die Küste bis Cartagena soll nicht Gegenstand dieses Reiseberichtes sein. Wir empfanden Sie, ähnlich wie weite Teile der italienischen Mittelmeerküste, als nicht weiter erwähnens- oder empfehlenswert. Orstnamen wie z. B. »Benidorm« sprechen für sich und die Gegend um Alicante blieb uns ebenfalls nur als »Pauschal-Ferienparadies« für all-inclusive-Reisende im Gedächtnis mit weitläufigen Appartement- und Hotelanlagen, Camping- und Stellplätzen in »Walt-Disney-Manier«. Nicht das, was man mit einem autarken Reisemobil in der Nebensaison sucht.

Das erste Hippie-Paradies für alle.

Das, was wir uns in unseren kühnsten Träumen von einem schönen, unverbauten Strand in der Nebensaison vorstellten, fanden wir schliesslich in Südspanien, südlich des Zipfels von Cartagena, kurz vor Aguilas und kurz vor der Grenze zu Andalusien. Am relativ grossen Strandabschnitt vor dem kleinen Ort Calabardina sahen wir, von der Hauptstrasse kommend, einige Wohn- und Expeditionsmobile in den Hügeln und hinter den bewachsenen Dünen verteilt stehen, wild und ohne Camping- oder Stellplatz. Hier waren wir genau richtig.

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Küstenabschnitt vor Calabardina

Zwischen unterschiedlichsten Wohnmobilen aus ganz Europa, die alle in gebührendem Abstand zueinander ein sozial verträgliches Plätzchen gefunden hatten, suchten wir uns auf einer kleinen Anhöhe unseren Platz mit traumhafter Rundumsicht auf das in der Sonne glitzernde Mittelmeer, die umliegenden, grün bewachsenen, teils blühenden Hügel und das etwas weiter entfernte Städtchen Calabardina, das auf einer Landzunge keck ins Meer ragt.

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Pole Position mit 360° Aussicht

Bei unserem ersten Erkundungsgang trafen wir nur nette Menschen, die meisten auch mit Hund als Reisebegleiter. Alle entspannt, freundlich und weltoffen. Da war es also, ein spanisches Hippie-Paradies, wo neben Teilzeitaussteigern und Lebenskünstlern durchaus ganz normale Urlauber und auch einige überwinternde Rentner anzutreffen waren. Ein bunt gemischtes Völkchen mit dem Motto: »Leben und leben lassen!«

Wir fühlten uns sehr wohl und beschlossen, einige Tage hier zu bleiben. Als wir hörten, dass alle Reisenden hier sich einig geworden waren, an Silvester kein Feuerwerk zu zünden wegen der Hunde, war das zusätzlich Grund genug für uns, über Silvester hier zu bleiben. Denn auch Monet hasst die Knallerei an Silvester, und wir versuchen deshalb jedes Jahr ein ruhiges Plätzchen irgendwo auf der Welt ausfindig zu machen. In Calabardina hatten wir es definitiv gefunden.

Stundenlange Strand- und Hügelspaziergänge, Ausflüge in den kleinen Ort, um im örtlichen Supermarkt einzukaufen und das süsse Nichtstun in angenehmer Temperatur, gemeinsame Lagerfeuer mit anderen Reisenden am Abend. Und unglaubliche Sonnenuntergänge. Perfekt!

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Magische Abendstimmung vor Calabardina

Zwei nette Holländerinnen brachten uns eines Tages wilden spanischen Spargel, der im Dezember aufgrund der Feuchtigkeit und den milden Temperaturen in den Hügeln dort spriesst. Eine feine Spargel-Tortilla am Abend war das Ergebnis. Wahrhaft ein kleines Paradies.

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Frischer, wilder grüner Spargel im Dezember – die beste Tortilla unseres Lebens

Da wir von Strom und Wasser unabhängig sind, blieben wir eine Woche dort und verstanden nicht, wieso manche so kritisch, geradezu abfällig über Südspanien für Wohnmobilreisende redeten. Zumindest nicht in dieser Woche.

Spanien will offensichtlich keine Wohnmobile mehr an der Küste.

Bevor Du, lieber Leser, dieses kleine Paradies am spanischen Mittelmeer jetzt jedoch als nächstes Reiseziel notierst, darf ich Dir auch unser Erlebnis auf der Rückreise, zwei Monate später, leider nicht vorenthalten. Denn als wir Mitte Februar auf der Rückfahrt erneut an diesem Traumplatz Halt machen wollten, waren plötzlich überall entlang der Dünen und Parkbuchten neue, grosse Verbotstafeln der spanischen Polizei aufgestellt worden, die es nun unter Strafe (bis zu 1’000.- €) verbieten, hier mit dem Wohnmobil, Camper oder Zelt zu stehen bzw. zu übernachten.

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Neue Verbotsschilder an der südspanischen Küste seit Anfang 2017

Schade, ein wundervoller, naturbelassener »Hippie-Strand«, an dem alle in Frieden miteinander auskamen, war quasi vor unseren Augen für immer geschlossen worden. Der Vollständigkeit halber sei jedoch zu erwähnen, dass neben der Zufahrtsstrasse nach Calabardina neu ein WoMo Stellplatz eröffnet hat, wo man gegen eine Gebühr übernachten und diese herrliche Gegend dennoch als Wohnmobilreisender erleben kann. Wir haben ihn allerdings weder begutachtet noch benutzt. Zu gross war unsere Enttäuschung.

Wie wir später von anderen Reisenden erfuhren, hatten wohl in ganz Südspanien Anfang diesen Jahres ähnliche »Säuberungsaktionen« an den letzten wilden, unbebauten Stränden stattgefunden.

Cabo de Gata – ein Naturpark am Meer für autarke Wohnmobilreisende.

Einen weiteren, sehr schönen Küstenabschnitt, den wir in Andalusien entdeckten, ist der Naturpark Cabo de Gata, vor dem Golfo de Almeria. Dort durften wir auf dem grossen Parkplatz am langen Sandstrand unbehelligt stehen. Für autarke Wohnmobilreisende ein Traum. Wir können nur hoffen, dass dieser Abschnitt von den »Verbotsaktionen« der Spanier verschont geblieben ist.

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Am Strand im Naturpark Cabo de Gata

Alte Goldminen, rassige Pferde & wilder Westen.

Vom Meer zog es uns weiter ins Hinterland, das uns vollends in seinen Bann zog. Denn plötzlich wähnten wir uns im »Wilden Westen«. Zuerst im alten, verlassenen Goldminen-Gebiet von Rodalquilar, wo man stundenlang zwischen glutroten Hügeln auf alten Sandpisten umher wandern kann und hinter jeder Ecke »Little Joe» auf seinem braun-weiss gescheckten Pferd oder den dicken «Hoss« aus  Bonanza vermutet. Auch »Crocodile Dundee« trieb hier im Film bereits sein Unwesen.

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Wanderung durch das unendlich grosse alte Goldminen Areal von Rodalquilar

Weiter im Landesinneren erreichten wir dann die Desierto de Tabernas, eine ganz besondere Wüstenlandschaft, wo es das alte Filmgelände »Texas Hollywood« gibt, das man heutzutage besichtigen und in der Nebensaison sogar mit dem Wohnmobil auf dem Gelände übernachten kann, wenn man den Eintritt bezahlt hat. Hier trafen wir sie dann tatsächlich, die Westernhelden unserer Kindheit auf ihren rassigen Pferden, Banditen und Sheriffs, Indianer, Bardamen und Tänzerinnen. Die alten Filmkulissen, inmitten einer faszinierenden Wüstenlandschaft, die unzähligen Italo-Western als Heimat dienten, sind einen Besuch wert. Obwohl wir sonst jegliche Sehenswürdigkeiten meiden, »Texas-Hollywood« hat uns begeistert. Vor allem am Abend und frühen Morgen, wenn man die Westernstadt quasi für sich alleine hat.

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Es fährt ein Zug…nach Nirgendwo…

Kleiner Wermutstropfen für Hundebesitzer: leider wird hier zweimal am Tag ordentlich geknallt, wenn die Stuntmen ihre Westernshow abziehen. Das hat Herrn Monet nicht so gefallen. Wir sind dann möglichst weit weg mit ihm spaziert in die weitläufigen Wüstenhügel ringsherum, während von fern aus den Lautsprechern der Westernstadt »Spiel mir das Lied vom Tod« an unsere Ohren drang. Gänsehaut pur!

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»Bonanza« oder »Spiel mir das Lied vom Tod«?

Wem das zu touristisch erscheint, dem können wir zwei sehr authentische, andalusische Orte weiter südwestlich empfehlen: El Rocio, am Parque Nacional de Donana in der Provinz Huelva gelegen, und El Terron, kurz vor der portugiesischen Grenze. In beiden Orten war es kein Problem mit dem Wohnmobil kostenlos auf grossen Parkplätzen zu übernachten. Ausser an Pfingsten, wenn hier Hauptsaison für spanische Pilger und Wallfahrer ist, erscheinen beide Orte in der Nebensaison wie verschlafene, alte Westernstädte. Keine befestigten Strassen, nur Sandstrassen und -wege zwischen den zweistöckigen Gebäuden, vor denen sich jeweils eine Holzterrasse mit Zaun zum Festbinden der Pferde befindet.
So bewegen sich die Einwohner auch meist hoch zu Ross oder mit Pferdewagen durch die Orte. Stolze Spanier und Spanierinnen, oft in der für Südspanien typischen Reiterkleidung, ritten auf ihren edlen Pferden wie selbstverständlich an uns vorbei. Einige trafen wir sogar freitagabends hoch zu Ross vor einer Bar stehend, wo die Tische optimale Pferdehöhe für ein entspanntes Abendbierchen im Sattel haben.

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After Work Party in El Rocio

El Terron ist kleiner als El Rocio, hat einen kleinen Fischerhafen und ein sehr gutes Hafenrestaurant direkt am Meer, wobei der eigentliche Ort, mit den ebenfalls typischen Pilger-Häusern der verschiedenen andalusischen Bruderschaften erhöht liegt.

Soviel »Wilden Westen« hatten wir in Spanien nicht erwartet, waren aber völlig angetan von dieser ganz anderen Seite des Landes. »Hier sieht’s ja aus wie in Mexiko«, ertappten wir uns immer wieder zu sagen. Andersrum wird jedoch ein Schuh draus: Seit die Spanier Südamerika entdeckt und erobert haben, sieht es im wilden Westen aus wie in Andalusien!

Kampf um die WoMo Stellplätze am Meer.

Apropos Eroberung. Nach unseren Abstechern ins Landesinnere, die sich jedes Mal als sehr lohnenswert herausgestellt hatten, versuchten wir unser Glück hinter Almeria erneut an der Mittelmeerküste.

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Walt-Disney-Feeling und Langzeit-Camper Chic auf südspanischen Campingplätzen

Hier erlebten wir einen »Wilden Westen« ganz anderer Art. Denn auf den sehr rar gesäten, total überfüllten Camping- und Stellplätzen wurden wir jedes Mal als Neuankömmling argwöhnisch begutachtet von Menschen, meist jenseits der sechzig, die hier offensichtlich langfristig ihr Winterquartier aufgeschlagen hatten und neue Eindringlinge nicht besonders goutierten. Schlechtes Karma schlug uns entgegen. Davon abgesehen, dass wir sowieso nicht auf den im Reiseführer angegeben asphaltierten Plätzen bleiben wollten, die zwischen riesigen Gewächshaus-Flächen, Müllentsorgungshöfen, viel befahrenen Hauptstrassen oder abgelegenen, spanischen Wohnvierteln eingepfercht waren. Wir wunderten uns, was Menschen zu tun bereit sind für Sonnenschein, ein paar Grad wärmere Temperaturen und »ALDI«  oder »LIDL« in der Nähe. Kopfschüttelnd suchten wir unser Heil in der Flucht.

Einen Versuch starteten wir allerdings noch, bevor wir uns endgültig wieder ins Hinterland Andalusiens verabschiedeten.
Mein Mann meinte: »Du, da gibt es noch einen Campingplatz, direkt am Meer. Im Reiseführer steht zwar FKK, aber jetzt im Januar wird das vermutlich keine Rolle spielen.« Denn die Temperaturen kletterten tagsüber kaum über 18° C.
Also gut, wir quälten uns durch eine superenge Zufahrtsstrasse zu besagtem Platz, fuhren durch ein Tor und kamen vor einer verglasten Rezeption zum Stehen. Ich wollte gerade aussteigen, als ein Campinggast mit seinem Pudel an der Leine vor unserem Fahrzeug aufkreuzte.
Perplex guckte ich den älteren Herrn an, wie er in dicken Socken, mit Birkenstocks an den Füssen, einem knallroten T-Shirt über dem Bäuchlein, einer Baseball Cap auf dem Kopf, aber ansonsten ohne jegliche Beinkleider an uns vorbei flanierte. Zugegeben, ich war noch nie ein grosser FKK Fan. Aber in diesem Moment erschloss sich mir die Sinnhaftigkeit wirklich nicht, weshalb man ausgerechnet seine primären Geschlechtsteile bei kühlen Temperaturen offen spazieren führen muss, während der restliche Körper normal bekleidet ist.
»In diesem Exhibitionisten-Paradies für Rentner bleib ich keine Minute!« Sonst nicht prüde, verweigerte ich bei diesen Aussichten das Aussteigen und bat meinen Mann, doch bitte umgehend zu wenden.

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Ohne Worte

Wir hatten genügend südspanische Camping- und Stellplätze an der Küste gesehen, die irgendwo in hässlichen Gegenden, weit vom Meer entfernt, notgedrungen entstanden waren, weil die Küstenabschnitte fast flächendeckend mit Appartements und Hotel Trabantenstädten zugepflastert sind. Einstimmig entschieden wir uns, den gesamten Küstenabschnitt zwischen Almeria und Gibraltar komplett zu meiden.

Lieber unter Geiern als unter Nackten.

Vorbei an den weiss verschneiten Gipfeln der Sierra Nevada in der nördlichen Ferne, fuhren wir weiter westwärts ins Hinterland von Antequera, von dort in Richtung Parque Ardales und in die Gebirgszüge von El Chorro, wo wir wieder in einmalige, menschenleere Naturregionen vorstiessen. An wunderschönen Stauseen fanden wir einsame kleine Naturparkplätze inmitten uralter Olivenhaine, wo wir eine oder zwei Nächte ungestört stehen und wieder aufatmen konnten.
Durch die um diese Jahreszeit (Januar) grüne, blühende Landschaft mit wunderbar duftenden mediterranen Kräuterstauden und einem Meer von wilden, violett-gelb getigerten Iris wanderten wir stundenlang mit Monet, ohne einer Menschenseele zu begegnen.  Und waren angenehm überrascht, im südspanischen Hinterland solch perfekte Wandergebiete zu entdecken.

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Über dem Stausee Guadalhorce im Parque Ardales

Im bizarr zerklüfteten Gebirge von El Torcal und im Gebiet von El Chorro kreisten majestätische Gänsegeier über unseren Köpfen und neugierige, iberische Steinböcke musterten uns unter ihren stattlichen Hörnern hervor.

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Iberische Steinböcke auf dem Weg nach El Chorro

Wir durchquerten das andalusische Hinterland auf engen, schmalen Nebenstrassen, vorbei an Orangen- und Zitronenbäumen voller reifer Früchte und uralten Olivenbäumen. Immer in Richtung Westen.

Nach ein paar Tagen in der einsamen Natur andalusischer Naturparks, der letzte war die »Sierra de las Nieves«, suchten auch wir wieder einmal die Zivilisation und einen Stellplatz mit Ver- und Entsorgung. Im Städtchen Castellar de la Frontera wurden wir schliesslich fündig. Hier auf dem offiziellen, kostenlosen Stellplatz neben der Sportplatzgaststätte trafen wir einige Marokko-Reisende, die von dort aus über Algeciras die Fähre nehmen wollten. Fernweh machte sich breit. Nachdem der sonnige Süden Spaniens im Winter nicht ganz so warm war, wie wir uns ursprünglich erhofft hatten, klang Marokko und das, was die erfahrenen Nordafrika-Reisenden uns erzählten, sehr verlockend.

Marokko – so nah und doch so fern.

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Küstenlandschaft bei Tarifa

»Sollen wir?«, fragte ich hoffnungsfroh und kramte unseren Marokko-Reiseführer aus dem Schrank. Wir entschieden uns zunächst, nach Tarifa weiterzufahren und von dort zu entscheiden, ob wir übersetzen oder weiter nach Portugal fahren wollen.

Die touristische Briten-Enklave Gibraltar mit ihrem Affenfelsen liessen wir links liegen und steuerten direkt die südlichste Stadt Andalusiens, Tarifa, an. Dort, wo Mittelmeer und Atlantikwellen sich treffen. Und hunderte verrückter Wellenreiter und Kite-Surfer. Hier fanden wir wieder verschiedene Parkmöglichkeiten zum Übernachten. Die Duldung durch die Polizei ist unterschiedlich und folgt keinen festen Regeln. Es gibt aber auch einen offiziellen Campingplatz, etwas ausserhalb der Stadt, direkt am Atlantik.
Und in Tarifa gibt es eine supergute Tierarztpraxis mit einer sehr freundlichen, Deutsch und Englisch sprechenden Schweizer Tierärztin. Warum wir die gebraucht haben? Monet brauchte eine Tollwut-Impf-Auffrischung und eigentlich hätte er auch einen Tollwut-Titer Test gebraucht, wenn wir nach Marokko gefahren wären. Sind wir aber nicht, weil der Titertest mindestens drei Wochen gedauert hätte. So blieben wie also lieber ein paar Tage im Surferparadies Tarifa und bereuten diese Entscheidung nicht.

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Jedem seinen Sport am unendlichen Atlantikstrand von Tarifa kurz vor einem Gewitter.

Wir genossen die freundliche und entspannte Atmosphäre dieser junggebliebenen „alten Stadt“ mit ihrem maurischen Altstadtkern, den engen Gassen, morbiden Häusern und dem windigen, wilden Atlantikstrand. Von wo aus die marokkanische Küste zum Greifen nah ist, und nachts die nordafrikanischen Lichter am Horizont uns magisch zu locken schienen. Dort drüben lag Afrika. So nah und doch so fern…wir beschlossen, die Reise dorthin so bald wie möglich nachzuholen. Und begnügten uns dieses Mal mit dem unendlich langen Atlantikstrand Tarifas, wo wir den Kite-Surfern begeistert zuschauten und Herr Monet stundenlang völlig aus dem Häuschen durch den Sand düsen konnte, immer mal wieder begleitet von wechselnden zwei- und vierbeinigen Freunden, denen es hier ebenso gut gefiel wie uns.

Südspanien - Hippie-Paradies oder Rentner-Hölle?

In Tarifa sind sogar die Kühe entspannt und spazieren am Strand entlang

In Tarifa sind Hundebesitzer und ihre Fellnasen sehr willkommen, und wir haben bisher noch nirgends in Europa so viele gut sozialisierte, friedliche Vierbeiner getroffen wie hier.

Erleichtert stellten wir fest, dass uns relaxte Hippies und Surfer mit ihren ebenso entspannten Hunden am Atlantik und das spanische Hinterland einfach mehr liegen als FKK Rentner und der Kampf um überfüllte Winter-Campingplätze in ALDI- und Mittelmeernähe.

Und weil das so ist, führte uns unser persönlicher »Schutzengel« auf der Rückreise auch noch auf einen ganz besonderen Stellplatz, zur Finca Caravana in der La Mancha, nahe Caudete. Aber das ist eine ganz eigene Geschichte mit ihrem ganz eigenen Film. Nämlich die von Franze, dem reisenden Zimmermann, die es hier zu lesen und zu sehen gibt: »Afrika ist überall – der Film über einen besonderen Mann an einem speziellen Ort«.

Ob wir nochmals mit Hund und Wohnmobil nach Südspanien fahren würden? – Auf jeden Fall, aber nur auf dem kürzesten Weg nach Afrika. Und auf gar keinen Fall mehr an der Mittelmeerküste entlang!

Unsere persönlichen Lieblingsplätze in Südspanien:

Calabardina – Zwar kein Hippie-Paradies mehr, dafür aber einer der wenigen Küstenabschnitt mit traumhaften, unverbauten Stränden.

Cabo de Gata – Ebenfalls unverbauter Küstenabschnitt und Naturpark am Mittelmeer mit artenreichen Salzlagunen.

El Torcal bei Antequera – Bizarre Felsformationen, mit viel Glück Steinböcke.

Parque Ardales mit seinen Stauseen – wunderschöne Hügellandschaft mit tiefblauen Stauseen, optimal für ausgiebige Spaziergänge und Wanderungen.

Gegend um El Chorro – Naturpark mit spektakulären Felsengebirgen, Wanderwegen und Steinböcken!

Tarifa – ein Seelenplätzchen kurz vor Afrika mit entspannten Leuten & Hunden, einem sensationellen, unendlich langen Atlantikstrand und maurischem Nordafrika-Feeling.

El Rocio – gelebter Wilder Westen mit edlen Pferden, stolzen Reitern & einer eindrucksvollen Wallfahtskathedrale am Rande eines artenreichen Naturschutzgebiets.

Finca Caravana – wegen Franze, seiner Fellnase Fernando (dem wahren Platzchef), den vielen Kaninchen und der wohltuenden Einsamkeit.

nurMut…meist ist es besser, sich selbst ein Urteil zu bilden!
Und falls Du ähnliche oder ganz andere Erfahrungen gemacht hast, freue ich mich sehr über Deinen Kommentar…

19 Kommentare zu Südspanien – Hippie-Paradies oder Rentner-Hölle?

  1. Brigitte Ruch // 12/02/2019 um 23:19 // Antworten

    Wieso nicht Hippie-Horror und Rentner Paradies?

  2. Auf dem Weg nach Marokko sind wir auch der Küste gefolgt und haben dieselben „Vorurteile“ (wie andere Kommentare beklagten) bestätigt gefunden. Einige der Wohnmobil-Parks sind echt depremierend!
    Allerdings: die Küstenstraße ganz im Norden, direkt nach der französischen Grenze, ist immernoch sehenswert! Die gesamte Gegend ist ein Naturpark.
    Etwas südlich von Calabardina haben wir Ende 2018 doch noch frei stehen können. Angeblich ist es nur in der Provinz von Murcia so streng, dann kommt die Grenze mit Andalusien.
    Nach eurer Beschreibung werden wir uns mal Tarifa auf der Rückfahrt ansehen.
    Gruss aus Sidi Kaouki

  3. Sehr schön und authentisch geschrieben und deckt sich zu großen Teilen mit meiner eigenen Erfahrung ?

  4. Vielen Dank für den anschaulichen Artikel! Wir fahren mit dem wo Mo jetzt erstmals auch im Winter. Leider haben wir kein Expedition Fahrzeug sondern nur einen ganz normalen Teil integrierten . Eure Eindrücke bezüglich des Tourismus können wir aus vielfältigen Urlaubserfahrungen gut nachvollziehen. Meine Frage an euch ist jetzt: ist das spanischen Hinterland im Winter mit normal Fahrzeugen Überhaupt bererisbar und welche Einschränkungen gibt es? Wir würden ansonsten auch gern die Küste mit dem zu erwartenden Touristen und wo Mo Trubel verlassen und mit unserem Hund im Hinterland wandern.

    • Ausser den Höhenlagen der Sierra Nevada, wo es Schnee hat, ist das spanische Hinterland im Winter sehr gut bereisbar, auch mit einem nicht-Allrad Wohnmobil. Zumindest war das unsere Erfahrung im letzten Winter. LG Petra

  5. Ein wunderschöner Reisebericht mit viel Inspiration.In Eurem Alter ist man noch fit, möchte Abenteuer erleben, aktiv sein, sich bewegen. Tut das, so lange ihr das könnt. Die Zeit wird kommen, wo die ersten Zipperlein anfangen und mit zunehmendem Alter immer mehr werden. Eure Wanderungen werden nicht mehr so lang sein wie früher und zunehmend anstrengender. Irgendwann werdet ihr froh sein, wenn ihr mit eurem Wohnmobil im Süden Spaniens, Portugals oder Marokkos überwintern könnt und einfach nur die Sonne genießt, weil eure müden Knochen nicht mehr in der Lage sind große Wanderungen durchzuhalten. Dann werdet ihr vielleicht auch zu denen gehören, die sich auf überfüllte CP und SP stellen um das warme mediterane Klima zu genießen. Denkt auch daran, ihr seit die Rentner von morgen, wenn ihr es erlebt.

  6. Michael Metzke // 17/12/2017 um 9:40 // Antworten

    Was hältst du von der Devise, jedem das Seine.
    Mir ist dein tendenziöser Unterton aufgefallen. Ich glaube mancher Rentner ist liberaler als du.
    Zu guter Letzt : Freistehen ist verboten Punkt

    • Da ich durchaus liberal und auch tolerant bin, habe ich auch deinen Kommentar gern freigegeben, lieber Michael. Aber Du musst zugeben, das Wort »Freistehen verboten« lässt Reisende manche Chance auf schöne, liberale Erlebnisse verpassen, oder nicht?

  7. Wenn man die Welt bereist, sollte man nicht vorverurteilen, sondern gegenüber anderen Menschen und Geplogenheiten offen sein.
    Es gibt für Gründe für das Verhalten anderer Menschen und diese sollte man respektieren!
    Auch andere machen sich Gedanken über ihre Lebensweise und haben Respekt verdient.
    Hoffentlich reift diese Ansicht mit den Jahren!

  8. Irmgard Balser // 10/11/2017 um 0:07 // Antworten

    Spanien, das wunderbare Landesinnere, Tarifa und die Südküste Portugals (Algarve) haben wir vielmals mit unserem Bulli bereist in den Jahren 1970 bis 1984. Und auch meist an der Küste zurück. Es war damals noch traumhaft, es war Spanien mit Spaniern und keine Touristenkasernen. Keine Autobahn, keine ausgebaute Küstenschnellstrasse, das begann erst so ab Alicante nördlich, doch von da aus konnte man bis in die Camargue durch fahren.
    Danke für Euren Reisebericht, der die Sehnsucht weckt!

  9. Vor 30 Jahren hätte ich den Artikel auch so geschrieben, da war ich 30 Jahre alt.
    Ich hoffe, dass ihr sehr gesund und fit bleibt, Euren wilden Spargel findet und nie bei Aldi kaufen müsst. …und nein, ich fahre keine Tupperdose in der das Einzige, was sich dreht die TV-Antenne ist.
    Schade, zu grossen Teilen ist der Artikel jugendhaft in die Grütze gegangen.

  10. toller inspirierender Artikel, danke 🙂
    lieben Gruß,
    Sandra

  11. Genau so haben wir es auch erlebt.
    Die Spanische Küste ist ein ewig schlingernder Betonwurm und die gigantischen Plastiktreibhäuser eine lauernde Zeitbombe. Das ist wirklich nur was für Hardcore Urlauber mit klarer Prämisse!
    Hauptsache günstig ! Dies gilt besonders auch für die im Beitrag erwähnten Beinkleidlosen:
    „Mit jeder Inkontinenz Unterhose, die ich nicht anziehen muss, spare ich Waschgeld…“.
    Ja, einige km im Landesinneren öffnet sich eine kontrastreiche wunderschöne und ehrliche Landschaft die sich auch in Ihren Bewohnern wiederspiegelt.

    Gruss Röbi

  12. Edelgard Hans // 06/09/2017 um 16:29 // Antworten

    Habe deinen Bericht komplett gelesen und bin begeistert.Wir fahren seit 13 Jahren mit dem Wohnmobil nach Spanien.
    Kenne die Gegend nur am Meer entlang.Das Hinterland habe ich noch nicht kennen gelernt.Von Spanien Anfang bis zur Fähre nach Marokko.Werde von deiner Strecke einiges iin diesem Winter besuchen.Liebe Grüße Edelgard

  13. Schöne bericht. Wir nehmen seid langem der nord route ohne Es küste. Es ist angenehme und einfache zu fahren und zu 80-85% vierspurig ohne maut. Schlafen kann man auch wenn es um ein paar nacht stunden geht überall and der raststatten ohne gefahr wie an der küstenstrecke.

  14. Danke, dass Du Deine Eindrücke eloquent und wundervoll bebildert für die Öffentlichkeit bereit stellst.

  15. Den beschriebenen FKK Platz glaube ich zu kennen. Es ist traurig wenn Du Dir nach wenigen Minuten so ein vernichtendes Urteil bildest.
    Vielleicht wäre es reifer Pensionisten und FKKlern besser kennenzulernen und dann ein Urteil abzugeben. Du wärst erstaunt wieviele Hippies sich unter diesen Gruppen befinden.
    Liebe Grüße
    Lilli

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