Stimmungsvolles Lido di Jesolo im Winter

Pole Position an der Adria

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Vom spontanen Abzweigen zu überraschenden Zielen

Wenn Du „stimmungsvolles Lido di Jesolo“ liest. Auf einem Blog, der sich vor allem mit unabhängigem, autarkem Reisen beschäftigt, wähnst Du Dich im ersten Moment womöglich im falschem Film oder auf dem falschen Blog.

Doch halt, stopp! Bitte nicht aufhören zu lesen, denn ich kann das Ganze aufklären. Und Dir eine neue, andere Seite der im Sommer völlig überfüllten Adria Touristen Hochburg zeigen. Begleite uns bei unserem spontan überraschenden Trip ans winterliche Mittelmeer. Der unsere Vorurteile gegen überlaufene Touristenorte „Lügen strafte“. Und das kam so:

Auf unserer ersten Reise mit unserem Reisemobil vor einigen Jahren im Dezember. Hatten wir nach einigen Tagen in den klirrend kalten Dolomiten nicht nur die ersten technischen Grenzerfahrungen mit unserem „Koffer“ gemacht. Sondern auch das Gefühl, uns und unser Gefährt in milderen Gefilden ein bisschen auftauen zu müssen.

Kaum hatten wir den Gedanken an wärmere Regionen zu Ende gedacht, schickte uns der Himmel mitten in den Dolomiten einen Wegweiser an einer Strassenkreuzung nach

„Venezia“.

Spontan bogen wir sofort direkt ab in Richtung italienische Adria. Und landeten schliesslich dennoch nicht in Venezia (nicht dieses Mal).

Dafür aber in Lido di Jesolo. Dem Traum eines jeden Pauschaltouristen, der gerne an überfüllten Sommerstränden, Restaurants und Partymeilen seine Schnäppchenjäger Ferien verbringt bei „Würstel con Krauti“ und „Schnitzel mit Pommes“.

Als Robert dem Wegweiser dorthin folgte, wollte ich ihn zunächst als komplett verrückt erklären.
Die Fahrt durch die ausgestorbenen, menschenleeren Strassen. Vorbei an geschlossenen, verbarrikadierten Hotels, Souvenir Shops und Fast Food Tempeln schien mir Recht zu geben. Erinnerte die Szenerie doch an „Endzeit-Filme“ und wirkte insgesamt sehr gespenstisch. Kein Mensch begegnete uns, alle Gebäude schienen „zu“ „wegen geschlossen“. Und auch die in Italien obligatorischen Wäscheleinen auf Balkonen oder über Strassen gespannt, voller lustiger, bunter Wäschestücke fehlten völlig im Bild. Hätte nicht die freundliche Sonne von einem strahlend blauen Himmel herunter gelacht, wir wären in schwere Depressionen verfallen. Und hätten kehrt gemacht.

Lido di Jesolo gibt alles.

Aber so schnell geben wir bekanntlich nicht auf.
Robert steuerte unseren Koffer weg von der Hauptstrasse nach links in eine kleine Stichstrasse in Richtung „mare“. Diese endete in einer Sackgasse, wo natürlich Parkverbotsschilder installiert waren. Was bei dem Andrang im Sommer nur allzu verständlich ist. Jetzt im Dezember muteten diese etwas fehl am Platze an. Gab es hier jetzt nicht einmal Politessen, die das kontrollieren könnten. Geschweige denn sonst eine Menschenseele, die sich durch ein geparktes Fahrzeug gestört fühlen könnte.

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Pole Position am Strand von Lido di Jesolo

Und das Beste: direkt am Ende der Strasse begann die Strandpromenade. Die in der Sonne glitzernde Adria ein Steinwurf entfernt. Für einen Hunde Gassigang nach stundenlanger Fahrt auf jeden Fall der perfekte Parkplatz. Gesehen, geparkt und los…

Warst Du schon einmal in der Nebensaison bzw. im Winter am Mittelmeer? Das hat wirklich seinen ganz eigenen Charme. Und Gerhard Polt’s „Man spricht deutsch“, ist glücklicherweise ganz weit weg.

Auch wenn natürlich die Hotel Bausünden der 70er, 80er und 90er Jahre nach wie vor die gesamte Adriaküste beherrschen. Und jedem Naturliebhaber das Blut in den Adern gefrieren lassen. Bekommt man im Dezember doch auch hier eine Idee von der ursprünglichen Schönheit des Küstenstreifens und der endlosen Strände. Die im Winter natürlich ebenfalls menschenleer sind.

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Winterlich einsamer Strand in Lido di Jesolo

Stundenlange, erholsame Spaziergänge mit Hund an diesen ruhigen Stränden mit der skurrilen Hotelskyline im Augenwinkel. Für jeden Hobbyfotografen und neugierigen „etwas anders Reisenden“ ein besonderes Erlebnis.

Lido di Jesolo gab aber auch wirklich alles. Nach einem mehr als kitschigen, exklusiven Sonnenuntergang verzogen wir uns in unser Reisemobil an der Pole Position mit Adriablick. Und beschlossen, wenigstens eine Übernachtung hier in dieser Geisterstadt zu wagen.

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Dezember Abendstimmung

Wohlgemerkt, dies war unsere erste längere Wohnmobil Reise. Mit „wilden Stellplätzen“ hatten wir noch keine grosse Erfahrung. Und mit einsetzender Dunkelheit wurde mir persönlich auch ein wenig mulmig. Denn auch Strassenbeleuchtung oder irgendeine Lichtreklame waren komplett Fehlanzeige. Nichts. Nur der Strand, die verlassenen Hotels und Läden, die Dunkelheit und wir.

Als Herr Monet zu vorgerückter Stunde nochmals Gassi musste, kletterten wir wohl oder übel nochmals raus aus unserer „Burg“. Mit einer grossen Stab Taschenlampe bewaffnet in Richtung Strand. Unglaublich schön, diese Einsamkeit, das sanfte Rauschen des Meeres und alles nur für uns.

Doch da, plötzlich…“huch“…aus dem Dunkeln kommt uns doch glatt ein Mensch entgegen auf der nächtlich stillen Strandpromenade. Ein „Nacht-Jogger“ mit Stirnlampe, der ungefähr genauso erschrocken uns ansieht wie wir ihn. Beiderseits erleichtert, dass es sich offensichtlich um eine harmlose, wenn an diesem Ort auch höchst seltene, Begegnung handelt, grüssen wir uns mit einem freundlichen

„Buona Serra!“

Und schon waren wir wieder verschluckt vom Schwarz dieser Dezembernacht. Wo kam er her, wo wollte er hin, der ominöse Nacht-Jogger? Wir wissen es nicht. Vermutlich stellte er sich die gleiche Frage…

Von Polizisten und Glimmstengeln.

Zurück im Koffer, machten wir uns bettfertig und löschten schnell die Lichter. Kaum im Bett, durchbrach Motorengeräusch die nächtliche Stille. Ohje, wer mag das sein, in dieser einsamen Sackgasse mitten in der Nacht? Alte Ängste stiegen in mir auf, und „Bild“-mässige Kriminalgeschichten über ausgeraubte Wohnmobilisten drängten sich in meinen Kopf. Nervös, bestenfalls mit einem Platzverweis oder doch mit Schlimmerem rechnend, öffnete ich das Rollo einen winzigen Spalt. Gerade genug, um draussen etwas zu erkennen. Vor uns stand eine Polizeistreife (das Lichtsignal auf dem Dach hob sich deutlich ab) mit laufendem Motor (typisch italienisch). Die spärliche Innenraumbeleuchtung liess zwei Personen erkennen.

So, dachte ich, das wars denn wohl mit unserem exklusiven Übernachtungsplätzchen. Die jagen uns jetzt sicherlich weg von hier. Ich wartete in meinem Versteck gespannt darauf, dass sich die Autotüren öffneten. Doch nichts geschah. Hochkonzentriert, wie ich hinaus spähte, konnte ich im Wageninnern hin und wieder ein kleines Aufglimmen erkennen. Na klar, die beiden Polizisten machten hier ihre kleine Zigarettenpause mit Meerblick auf der obligaten Streife. Die wissen auch, wo’s schön ruhig ist.

Und unseren LKW, aus dem ja auch kein Licht nach draussen drang, fanden sie offensichtlich nicht besonders interessant. Nicht einmal wert, auszusteigen. Nach ca. zehn Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, wendeten sie ihr Fahrzeug und fuhren von dannen.

Deutlich entspannter als ich, reagierte mein lieber Mann auf diese nächtlichen Besucher: „Sei doch froh, dass in dieser einsamen Gegend die Polizei Streife fährt. Damit sind wir hier umso sicherer! Gute Nacht und schlaf gut!“ 

Nach einer mehr oder weniger entspannten Nacht („kommt die Polizei nochmals vorbei?“) erwachten wir erneut bei strahlendem Sonnenschein. Wie frisch geputzt präsentierte sich dieser klare Dezembermorgen in Lido di Jesolo. Nach dem Frühstück gleich nochmals los an den Strand.

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„Wo geht ’s denn bitte zum Strand?“

Wo morgens doch tatsächlich insgesamt drei Menschen unseren Weg kreuzten in zwei Stunden. „Wie muss man drauf sein, wenn man im Winter in dieser skurrilen Endzeit-Kulisse wohnt?“, fragten wir uns . Vermutlich ähnlich schräg wie wir, die hier ihre Urlaubstage verbrachten.

Es gibt Leben auf dem Planeten.

Als wir zurück durch die Hauptstrasse weiterfuhren, waren wir dann doch überrascht, dass es tatsächlich einige wenige Geschäfte gab, die geöffnet hatten. Darunter ein Werkzeug- und Eisenwarenhändler, der meinen Mann magisch anzog. Zumal er noch einige Teile für unseren Abwassertank Abfluss benötigte bzw. nach einem geeigneten Gasbrenner Ausschau halten wollte. Damit wir im Notfall nicht wieder mit dem gesamten Gasherd unter dem Mobil liegen müssen. (siehe „Winter im Expeditionsmobil auf einsamen Alpenpässen).

Da ich mich nicht so sehr für Eisenwarengeschäfte erwärmen kann, hielt ich anderweitig Ausschau und entdeckte einen Fischhändler. Der Traum eines jeden Hobbykochs: frischer Fisch aus dem nahen Meer. Ich enterte den Laden und fand dort wunderbar frische Scampi, die ich hocherfreut für unser Abendessen einkaufte.

"Kannst Du das Meer riechen?"

„Kannst Du das Meer riechen?“

Mit feinem Knoblauch, einer frischen Zitrone und einem Sträusschen Petersilie, die wir unterwegs an einem Obst- und Gemüsestand fanden, ergab das ein feines Mahl.

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Italienischer Obst- und Gemüsestand (man beachte die Wäscheleine im Hintergrund!)

Wer hätte das gedacht? Dass uns Lido di Jesolo soviel zu bieten hat und uns in so guter Erinnerung bleiben sollte.

Weiter ging unsere erste Winterreise nach Österreich, wo wir eine Pole Position am Wörther See fanden und wo uns am Wolfgangsee eine hilfsbereite Metzgersfrau vor dem „Austrocknen“ bewahrte…

nurMut…Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters und Reisenden. Petra

4 Kommentare zu Stimmungsvolles Lido di Jesolo im Winter

  1. Schöner Reisebericht – lustig zum Lesen und Nachfühlen. Gehöre auch zur ängstlichen Kategorie Mensch. 😀 Mein Mann und ich fahren Ende Oktober nach Jesolo und ich wollte mal sehen, was andere so über einen Hetbsturlaub in Jesolo denken.

  2. R.Dietmar Mair // 17/11/2018 um 13:59 // Antworten

    für mich und alle anderen „Amatori d`Italia“ sehr nett berichtet. War auch im Winter in verschiedenen Regionen Italiens

  3. Danke für diese feine Erzählung. Ja, es ist die Achtsamkeit und das bewusste Erleben, die die Momente zu etwas Besonderem machen.

  4. Hallo Petra und Robert
    Da wir nie die Möglichkeit hatten, solches selbst zu erleben freuen wir uns jedes Mal von dir eine neue Reisegeschichte lesen zu können.
    Es grüßt Euch Herzlich
    Schmitthans

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