Lesung einmal anders – ein Hund erobert Buchhandlungen und Herzen

Lesung einmal anders
Um mein erste Buch auch ausserhalb meines Blogs und der üblichen Internetmedien einem interessierten Publikum vorzustellen, kam ich auf die Idee, Lesungen in Buchhandlungen und Bibliotheken anzubieten.
Möglicherweise fallen Dir sofort gängige Klischees ein, wenn Du an Autorenlesungen denkst:
»Intellektuell, ernsthaft, trocken, langweilig, ermüdend
– nur etwas für Bücherwürmer?«
Wir wollten das ändern und »Lesung einmal anders« gestalten, eine Buchvorstellung neu definieren, mit mehr Leben und Erleben für den Zuhörer füllen. Für uns war von vorne herein klar, dass reines Vorlesen allein nicht in Frage kommt. Schliesslich geht es im Buch um ein spannendes, selbst erlebtes Abenteuer. Unterschiedliche Emotionen, Hoffen & Bangen und viele Zwischentöne, die wir drei Protagonisten, mein Mann Robert, unser Hund Monet und ich, vor und während unserer Alpenüberquerung persönlich durchlebten, wollen transportiert werden.
Einfach nur akzentuiert vorlesen, wollte ich nicht, denn lesen kann ja jeder selbst, sondern »live« aus dem Nähkästchen plaudern, den Emotionen unserer aussergewöhnlichen Tour vor dem Publikum Raum geben. In einem freien Vortrag darüber:
- Wie wir überhaupt auf die verrückte Idee gekommen waren, mit Hund und Rucksack in vier Wochen am Stück über die Alpen zu marschieren.
- Welche »Kämpfe« mein Mann und ich vor der Wanderung ausgetragen hatten, mit welchen Zweifeln wir haderten.
- Wieso aus einem zerbrochenen Murano Glas am Ende ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk, eine unvergessliche Fernwanderung, ein erfolgreiches Buch, ein beliebter Film, eine grosse Fangemeinde für unseren Hund Monet und schliesslich sogar Lesungen mit strahlenden, begeisterten Zuhörern entstanden.
Auftritt in der alten Heimat – besonders leicht oder eine Herausforderung der besonderen Art ?

»Ein Hund, sein Rudel und drei Rucksäcke« im Schaufenster der Kirchzartener Bücherstube
Da man sich bekanntlich auf heimatlichem Boden eher sicher fühlt, begann ich mit meiner Lesungs-Akquise in meinem Schwarzwälder Heimatdorf, wo ich bereits als Kind davon geträumt hatte, irgendwann einmal ein eigenes Buch zu schreiben. Mit 50 Jahren hatte ich mir also diesen Kindheitstraum erfüllt. Vielleicht auch ein wenig, um mir und meiner alten Heimat zu beweisen, dass die Träume, die ich dort als Schülerin hatte, durchaus in Erfüllung gehen können. Wenn man nur stark genug daran glaubt.
So schrieb ich also die »Kirchzartener Bücherstube« im Ort meiner Kindheit per E-Mail an. Natürlich war mir klar, dass keine Buchhandlung dieser Welt ausgerechnet auf mein Buch gewartet hat. Dazu bin ich selbst oft genug als Kundin in Buchläden und kenne das unglaubliche Sortiment an Neuerscheinungen und deren Buhlen um die Gunst des Lesers. Die Antwort auf meine E-Mail liess auch entsprechend auf sich warten. Da meine lieben Eltern jedoch mein Buch in jener Buchhandlung bestellt hatten, und ich für Sie eine Lieferanfrage stellte, ergab sich der erste telefonische Kontakt aus der Ferne. Kurze Zeit später waren wir zu Besuch in Kirchzarten, ich hatte noch immer keine Antwort auf meine E-Mail erhalten.
Da meinte meine Mutter: »Geh doch persönlich dort vorbei und frag nach!«
Zurückhaltende »Schweizerin«, die ich nach über 10 Jahren inzwischen geworden war, zauderte ich und fand es unpassend, der Inhaberin, Katrin Schmidt, so auf die Pelle zu rücken. Aber meine Mutter liess nicht locker und schubste mich bei einem Spaziergang mit unseren Hunden förmlich in die Bücherstube hinein.
Da stand ich also, inmitten hunderter Bücher und stellte mich der freundlichen Dame vorne an der Kasse vor:
»Petra Kochgruber, ich hatte vor einigen Wochen eine E-Mail an Frau Schmidt gesendet wegen meines Buches…«
Ich hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als eine herzlich lächelnde Dame hinter ihrem PC aus dem Innern der Bücherstube auf mich zustürmte und rief:
»Ach, Sie sind das! Guten Tag, gut dass Sie da sind, denn ich bin leider noch nicht dazu gekommen, Ihnen zu antworten. Wo haben Sie denn Ihren Hund?«
»Freut mich sehr….ähem, mein Hund ist draussen«
»Ja, bringen Sie den Alpenstar doch gern mit rein!«
Sie strahlte mich an und lud meinen Mann Robert und meinem Vater ebenfalls ein, die mit Monet draussen warteten.
Der Rest ist inzwischen schon Geschichte. Katrin Schmidt gab mir -bis dato unbekanntem Schreiberling- eine Chance und buchte uns für eine Lesung im Sommer. Und wir versprachen ihr im Gegenzug einen unvergesslichen Abend für Ihre Kunden.

Interessiertes Publikum aller Generationen in der Kirchzartener Bücherstube
Unsere Kombination aus freiem Erzählen unter Einbezug des Publikums, dem Vorlesen dazu passender Buchpassagen und unser selbst gedrehter Film überzeugten nicht nur Katrin Schmidt und ihr Team. Auch die ca. 50 Gäste, die an einem sommerlich warmen Freitag Abend in die Bücherstube kamen, waren so begeistert, dass meine Eltern auch heute noch, Monate danach, auf den Strassen von Kirchzarten darauf angesprochen werden. Versteht sich von selbst, dass die Beiden ebenfalls anwesend waren. Schliesslich hatte meine Mama ja den entscheidenden Anstoss zur Lesung in Kirchzarten gegeben.

Im Gespräch mit begeisterten Gästen in Kirchzarten
Wenn Schweres leicht aussieht, hat man etwas richtig gemacht.
Ich gebe zu, ich hatte vor meinem Auftritt ähnlich »Bammel«, wie an der 2’600 m hohen Gliederscharte oder auf dem ausgesetzten, steilen Klettersteig des Coburger Wegs während unserer München-Venedig Tour. Lampenfieber plagte mich und die Furcht vor dem berühmten Black-Out, obwohl ich natürlich Tage zuvor meinen Vortrag vorbereitet, einstudiert und geübt hatte. Beim Gassigehen mit Monet, frühmorgens im Badezimmer unter der Dusche, bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten rezitierte ich und versuchte, meinen roten Faden zu verfolgen. Und ihn vor allem nicht zu verlieren!
Eigentlich war das ja nicht meine erste Präsentation oder Rede vor Publikum, in meinen früheren Jobs gehörte das zur normalen Tagesordnung.
Dennoch, wenn es um das eigene, dazu so persönliche Projekt geht, und dann auch noch in der alten Heimat, fliesst das Adrenalin in rauen Mengen. Genau wie am Berg.
Gemerkt hat das ausser mir jedoch niemand, denn nicht nur »der bekannte österreichische Softdrink verleiht Flügel«, sondern auch der eigene Adrenalinspiegel im Blut. Wir lieferten eine perfekte Show, deren uneingeschränkter Herzensbrecher jedoch unser »Alpen-Clooney« war. Monet unser Vierbeiner, der meinem Vortrag brav lauschte, während er mit seinem Rucksack auf dem Rücken auf einer Decke am Boden neben mir lag und einfach nur schön war, liess sich beim anschliessenden Apéro die Streicheleinheiten und bewundernden Worte der Zuhörer sehr gern gefallen.

Signier- und Autogrammstunde
Dass die Zuhörer bei einem autobiographischen Roman oder einem selbst erlebten Reisebericht lieber die freie Erzählung des Autoren hören und im Anschluss das Buch selbst in Ruhe geniessen, liegt vermutlich in der Natur der Sache. Auf Lesungen ist es vor allem spannend, die Person hinter einer Geschichte persönlich zu erleben. Wenn der Mensch (und Hund) seine Geschichte auch noch eins zu eins selbst erlebt hat, bekommt der Vortrag eine sehr authentische Note. Weshalb Krimiautoren vermutlich stets nur vorlesen und nicht von ihren persönlichen Erfahrungen erzählen. Denn sind wir mal ehrlich, wer würde gern der authentischen Erzählung eines Serienkillers »live« lauschen…?
»Ein Hund, sein Rudel und drei Rucksäcke« bietet sich förmlich an für eine lebendige Erzählstunde mit vielen amüsanten Anekdoten aus dem Nähkästchen. Und Herr Monet ist im wahrsten Sinne des Wortes unser »Held zum Anfassen«.
Zweites Heimspiel in der Schweiz.
Umso mehr freuten wir uns neben einigen anderen Lesungen, die wir halten durften, auch die Anfrage für eine Lesung in der Biblio Gais, in unserem Heimatort im Appenzellerland, erhalten zu haben. Inzwischen war unser Buch bereits bekannter und sehr beliebt geworden, so dass ich nicht mehr selbst die Initiative ergreifen musste. Prima, das zweite Heimspiel! Ein Termin war schnell gefunden.

Eingang Biblio Gais
So unterschiedlich die Orte, die Gäste und jede einzelne Lesung sind, so speziell ist jede Veranstaltung und hat ihr ganz eigenes Flair, das nicht nur das Publikum, sondern auch mich als Autorin jedes Mal aufs Neue fasziniert. In Gais rührten mich neben vielen wunderbaren Gästen und Momenten vor allem zwei Erlebnisse und machten diese Lesung zu etwas ganz Besonderem.

Konzentration und beruhigende Worte, bevor es los geht
Es gibt sie noch, die kleinen Träumer.
Als im Laufe des Jahres in Gais bekannt geworden war, dass ich ein Buch über unsere Alpenüberquerung mit Hund geschrieben habe, sprach mich eines Tages eine Nachbarin an, die wir mit ihrem Hund oft beim Gassigehen treffen. Sie erzählte mir, dass sich ihre elfjährige Tochter, Fabienne, sehnlichst wünscht, später einmal selbst Bücher zu schreiben. Und bat mich, ihrer Tochter doch zu erzählen, wie das ist, wenn man Bücher schreibt, und dass man damit auf gar keinen Fall Geld verdienen kann.
Eine schwierige Situation, denn ich war ja selbst einmal ein Kind, das vom Bücher schreiben geträumt hatte. Und jetzt, da ich mir den Traum erfüllt habe, bin ich unwahrscheinlich glücklich darüber. Es stimmt natürlich schon, allein davon leben kann man im Zweifel nur, wenn man ein berühmter, alteingesessener Bestseller Autor ist. Und aller Anfang ist schwer. Aber darf man die Träume eines Kindes mit dem »schnöden Mammon-Argument« zerstören? Ich finde nicht.

Der Raum füllt sich und die Spannung steigt
Kurzerhand lud ich Fabienne persönlich ein zur Lesung. Und sie kam, sogar allein, weil ihre Eltern noch einen Termin gehabt hatten, und sass vorne in der ersten Reihe, direkt bei mir. Zuerst schüchtern, dann jedoch immer gebannter lauschte sie lächelnd meinen Erzählungen und zeigte schliesslich während der Filmvorführung immer mit dem Daumen nach oben, wenn ihr eine Szene besonders gut gefallen hatte. Sie genoss den Abend sichtlich und strahlte am Ende mit ihrer Mutter, die sie abholen kam, um die Wette. Und natürlich bekommt sie ein signiertes Buch von Ihrer Mama geschenkt…aber psst…das ist eine Überraschung…erst zum Geburtstag in ein paar Tagen. Meine Widmung? – Fabiennes und mein Geheimnis!
Für mich war ihr Besuch ganz besonders schön, denn er lässt mich hoffen, dass es auch zukünftig immer noch »kleine Träumer« geben wird, die ihre Herzenswünsche irgendwann umsetzen werden. Einfach aus Spass an der Freude und ganz egal, ob sie sich wirtschaftlich rechnen.
Überraschungsbesuch für Monet.
Waren zu unseren Lesungen in unseren Heimatorten bisher auch Gäste gekommen, die Robert und mir persönlich nahe stehen, Verwandte, Bekannte, Nachbarn, so kam in Gais das allererste Mal ein ganz persönlicher Besucher zu Herrn Monet. Als der Raum bereits gut gefüllt war, und unser Vierbeiner schon entspannt auf seiner Hundedecke neben mir lag, stürmte plötzlich etwas Hellbraunes zwischen den Beinen all der Gäste hindurch. Ein Doppelgänger unseres Hundes bahnte sich seinen Weg zu Monet und begrüsste ihn wild schwänzelnd. Als ob er ihm etwas ins Ohr flüstern wollte, beugte sich sein Bruder Puschkin, den wir 10 Jahre nicht mehr gesehen hatten, über ihn und stubste ihn freundschaftlich an. Welch eine Wiedersehensfreude! Auch mit Puschkins Herrchen, Stephane Schweizer, von dem wir unseren Alpenhelden vor 10 Jahren bekommen hatten.

Die beiden »Künstler-Brüder», Puschkin & Monet
Waren unsere Lesungen mit Hund bisher sowieso immer speziell gewesen, hatten wir jetzt in Gais neben ca. 60 Personen auch noch zwei Hunde! Aber das tat der Veranstaltung keinen Abbruch, im Gegenteil. Das Brudergespann eroberte alle Herzen im Sturm, denn das »Herzensbrecher-Gen« liegt bei diesen fröhlichen Jack Russel/ Labrador Mischlingen in der Familie.
Und als Monet dann von dem netten Team der BiblioGais auch noch sein Honorar coram publico in Naturalien überreicht bekam und seinem Bruder grosszügig ein Hundewürstchen abgab, machte nicht nur mein Herz einen kleinen Hüpfer.
Unsere grosse Fernwanderung von München nach Venedig im Rudel war ein einzigartiges Erlebnis. Aber auch alles, was in diesem Zusammenhang danach passiert, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Und so bleibt mir zu hoffen und zu wünschen, dass wir, liebe Leserinnen und Leser von nurmut.ch, uns auch irgendwann irgendwo einmal treffen werden…in Deutschland, der Schweiz oder in Österreich…beim Geschichten erzählen, Hunde streicheln und einem Gläschen zum Anstossen auf die kleinen Träume und grossen Abenteuer im Leben.
nurMut…Dinge einfach einmal (anders) zu machen, tut ziemlich gut!
Einfach lässig für was Du so alles Zeit findest, weiter so. Ich lese Deine Berichte immer sehr gerne und diese geben mir immer wieder einen kleinen Schubs. Wir haben den wahrlich goldenen Herbst auch genossen, mit vielen, schönen Spaziergängen auf dem Randen. Jetzt freuen wir uns aber auch auf die etwas beschaulichere Zeit, Bücher lesen ;-)), intensives kuscheln mit Ginger und was uns so in den Sinn kommt. Wir wünschen Euch allen eine wunderbare Weihnachtszeit. Liebe Grüsse Ursula