Apulien – Viehdiebe werden hier erschossen!
Kommunikation kann Leben retten.
Wohnmobilübernachtung direkt am Sandstrand – im März kein Problem!
Zu Beginn unserer Wohnmobil Erfahrungen reisten wir nach Apulien, wo meine Cousine seit Jahren lebt. Da wir ausserhalb der Saison, also noch vor Ostern, unterwegs waren und uns beim Kauf bewusst für ein autarkes Wohnmobil entschieden hatten, wollten wir Camping- und Wohnmobil Stellplätze meiden, so gut es ging. Das hat auch hervorragend geklappt. Wir standen im nördlichen Drittel teilweise sogar einsam direkt am Sandstrand. Und konnten so zum Beispiel in Campomarino am Lido Lucio nachts zwei tapfere Angler beobachten, die stoisch in der Dämmerung und im Dunkeln auf den Fang ihres Lebens warteten.
Anfänger, die wir waren, hatten wir manchmal schon noch ein mulmiges Gefühl, wenn wir einfach so in der Gegend standen, einsam und verlassen, fern der Zivilisation übernachteten. Aber alles ging prima, niemand hat sich beschwert und alle Italiener, denen wir begegneten waren entweder sehr nett oder ignorierten uns diskret.
Urwald in Süditalien?
So mäanderten wir also die Ostküste entlang in Richtung Süden. Die Küste hat uns mässig begeistert, weil hier fast keine ursprüngliche Natur mehr zu finden ist. Aber als wir den Stiefelsporn, und dort den Nationalpark Gargano mit seinem Foresta Umbra erreichten, waren wir hin und weg. Dort fanden wir einen regelrechten Urwald vor, in dem wir unser Wohnmobil auf einem Schotter Parkplatz mittendrin abstellen konnten. Umringt von uralten, moosbewachsenen Bäumen mit langen Flechtenbärten. Eine Szenerie mit alten „Baumbarts“, wie im Film „Herr der Ringe“.
Sagenhaft im wahrsten Sinne des Wortes und unwirklich. Da wir im Frühling dort waren, gab es morgens oft Nebelschwaden, die diesen speziellen Wald noch mystischer machten. Ausgedehnte Spaziergänge mit Herrn Monet, unserem Hund, führten uns durch das Dickicht, in dem wir von Ferne auf einmal Glockengeläut hörten. In dieser Kulisse fern der Zivilisation mag man vielleicht an Elfen oder Trolle denken. Aber nach einigen Metern stand, wie aus dem Nichts, plötzlich eine verdutzte Kuh vor uns, die uns ebenso ungläubig anschaute wie wir sie.
Dieses Zusammentreffen erstaunte uns umso mehr, als wir hier tatsächlich das Gefühl hatten, es gäbe keinerlei Zivilisation. Nachts sah man de Hand vor Augen nicht, so finster präsentierte sich der Wald. Und die einzigen Geräusche in der Stille waren seltsame Laute von Tieren, die wir nicht immer wirklich zuordnen konnten. Das kannten wir so bisher nur von Afrika.
Italien – Amore mio!
Am nächsten Tag fanden wir zumindest die Quelle eines nächtlichen Geräusches, das auch bei Tage nicht verstummen wollte. Unser morgendlicher ausgiebiger Gassiweg führte uns an einen grossen Teich, wo die italienischen Krötenmännchen ein furioses Konzert gaben, um ihre doppelt so grossen Weibchen zu beeindrucken! Schliesslich war Frühling…und was dem italienischen Mann der Alfa Schlüssel und sein schmachtender Blick, ist dem Krötenmann sein Gesang.
Es wurde gebalzt, was das Zeug hielt. Fast fühlte ich mich versucht, in dieser märchenhaften Umgebung einen der Frösche zu küssen. Aber was hätte ich dann im Zweifel mit einem Prinzen und einem König an meiner Seite gemacht? So habe ich auf den glitschigen Kuss verzichtet und bin mit meinem König und unserem Hofhund nach ein paar sagenhaften Tagen im italienischen Urwald weitergezogen. In Richtung Stiefelabsatz.
Apulien – Kultur, Sonne, Olivenbäume und seltsame Familien.
Auf dem Weg besuchten wir die wunderschön auf einem Hügel gelegene weisse Stadt Monte Sant’ Angelo und das Kultur Highlight Apuliens: das Castel del Monte, 1250 von Kaiser Friedrich II. erbaut. Auch dort hatten wir das Glück der ausser saisonalen Camper. Müssen Besucher des Kastells in der Hochsaison einen Kilometer unterhalb des Hügels parken und mit Shuttle Bus oder zu Fuss zum Bauwerk gelangen. Konnten wir jetzt im März direkt neben den imposanten Steinbau fahren und direkt dort parken und übernachten. Bei Vollmond! Ein unvergessliches Erlebnis – wir alleine mit dieser alten Burg im Sonnenuntergang und dem milchigen Mondlicht.
Wir dachten zumindest, wie seien alleine. Bis mein Mann beim Spaziergang mit unserem Hund plötzlich Besuch bekam von einem ziemlich grossen Schäferhund, der aus dem Nichts aufzutauchen schien. Ich beobachtete das Geschehen vom Wohnmobil aus und dachte, wenn das mal gut geht. Aber der Schäferhund schien friedlich zu sein, schnüffelte schwanzwedelnd an unserem und freute sich offensichtlich über Besuch hier in der Einöde. Nach einer Minute kamen insgesamt noch weitere 6 Mischlingshunde aus dem umliegenden Wald. Ein bisschen zerzaust, aber allesamt freundlich und friedlich. Wir hatten hier wohl das Interesse eines Rudels herrenloser Hunde der unterschiedlichsten Grössen, Farben und Formen geweckt. Die offensichtlich eine kleine Gemeinschaft der „Ausgestossenen“ gegründet hatten, um gemeinsam irgendwie auf diesem Hügel zu überleben. Da alle sehr friedlich, freundlich und nicht aufdringich waren, teilte unser Herr Monet gerne etwas von seinem Futter mit dieser seltsamen Familie.
Und wie haben Sie uns dafür gedankt? Einer von ihnen übernachtete, an unseren Voderreifen gekuschelt, bis zum Morgen bei uns am Wohnmobil und bewachte unseren Schlaf in der Einsamkeit. Hier waren wir auf jeden Fall sicher!
Wenn man nach Apulien reist, ist das Trullidorf Alberobello ein Muss. Mit seinen typischen Trulli, den weissgetünchten Häusern mit ihren kegelförmigen Dächern, ist es einmalig und sehr pittoresk.
Nachdem wir danach ein paar ruhige und sehr kulinarische Tage bei der Verwandtschaft im kleinen Dörfchen „Acquarica del Capo“ verbracht hatten (Bari und Gallipoli sind aus touristischer Sicht hier jedoch eher zu empfehlen), ging unsere Reise weiter. An der Küste, entlang des Golfes von Tarent, fuhren wir über Land direkt an die Westküste nach Kampanien.
Natur pur und weit und breit kein Parkplatz!
Da uns die Küstenregionen Italiens, wie oben erwähnt, nicht so gefielen, haben wir auch hier wieder eher das Landesinnere erkundet. Und landeten schliesslich im zweiten grossen italienischen Naturpark, dem Nationalpark del Cilento im Gebiet Salento. Dort im Gebiet Vallo di Diano fuhren wir durch unendliche Wälder. Hügel auf und ab, durch hübsche kleine abgelegene Bergdörfer. Die jedoch zu eng waren, um dort zu parken. Und schon beim Durchqueren wurden wir von den wenigen Bewohnern ungläubig und leicht argwöhnisch beäugt. Scheinbar haben sich in diese abgelegenen Gegenden noch nicht sehr viele Expeditionsmobile „verirrt“.
So fuhren wir eben weiter auf engen, schmalen Bergstrassen auf der Suche nach einem Stellplatz. Als es langsam eindunkelte, wurde ich schon leicht nervös, während mein Mann und Fahrer die Ruhe selbst war. Und immer weiter fuhr in dieser wunderschönen Natur, die irgendwie keinen Parkplatz für uns bieten wollte. Plötzlich herrschte stockfinstere Nacht um uns herum, Strassenlampen oder andere Zeichen einer Zivilisation gab es auch nicht mehr, nicht einmal mehr enge Bergdörfer. Nur eine einsame Serpentinenstrasse, Wälder und uns. Auch mein Mann hatte langsam genug von der Fahrerei. Hunger, Müdigkeit und Ungeduld machten sich breit. Wir fuhren und durchschnitten mit unserem einsamen Lichtkegel die Nacht, den Blick angestrengt auf die Umgebung gerichtet auf der Suche nach irgend einer Parkmöglichkeit.
Da endlich! Eine Art Feldweg zweigte von der ansteigenden Strasse rechts ab. Den nehmen wir, mal sehen, wohin er uns im Dunkeln führen wird, und ob er einigermassen gerade ist. Anscheinend nur ein Forst- oder Landwirtschaftsweg, der nachts sicherlich nicht befahren und genutzt wird. Ausserdem anscheinend eine Sackgasse, an deren Ende wir uns ein bisschen seitlich hinter Bäumen versteckt hinstellten, um eine Nacht hier zu schlafen.
Inzwischen war es sicherlich schon 22:00 Uhr. Noch schnell etwas essen. Danach mit unserem Hund und der grossen Stabtaschenlampe noch einen kurzen Gassigang in der totalen Finsternis und Stille. Schon ein bisschen unheimlich. Ab ins Wohnmobil, Tür verschlossen, Fensterrollos dicht gemacht und ins Bett. Morgen ist ein neuer Tag!
Im Land der Schnellschüsse.
Gegen ca. 1:00 Uhr nachts erwachten wir abrupt aus dem Tiefschlaf von lautem Getöse, Autolärm, schlagenden Autotüren und hektischen Stimmen. Völlig verwirrt standen wir auf, mein Mann öffnete ein Fensterrollo und grelle Scheinwerfer richteten sich auf unser Wohnmobil. Wir waren von mindestens 6 Autos umzingelt. Wütende Männer umrundeten uns mit Drohgebärden und wüsten italienischen Beschimpfungen. Uns schoss das Adrenalin durch den Körper, und der Schreck sass in allen Gliedern. Sämtliche Schauermärchen über die süditalienische Mafia jagten durch unsere Gedanken. Mein Mann öffnete das Fenster einen Spalt, drehte sich dann zu mir um und übersetzte mir, was die Italiener uns zuriefen:
„Viehdiebe werden hier erschossen!“
Na prima. Dann müssen wir die aufgebrachte Meute ja jetzt nachts um eins, völlig schlaftrunken, nur noch mit unserem Schulitalienisch davon überzeugen, dass wir keine Viehdiebe sind. Und zwar, bevor einer von denen noch nervöser wird.
Todesmutig öffnete mein Mann das Fenster ein Stückchen weiter und versuchte, die Situation zu klären. Langsam beruhigten sich die Männer, hörten ihm schliesslich zu und erklärten ihm dann das Problem. Wir hatten offensichtlich unwissentlich in einer Zufahrt zu einem Gemeinschaftsstall geparkt. In dem die umliegenden Dörfer ihre Kühe und Schafe nachts unterbringen. Und offensichtlich waren ihnen in der Vergangenheit immer wieder Tiere aus den Stallungen gestohlen worden. Da unser Wohnmobil auf LKW Basis wie ein Kühltransporter aussieht. Zumal nachts bei schlechten Lichtverhältnissen, dachten sie, jetzt hätten sie endlich einmal Viehdiebe inflagranti erwischt. Vermutlich hatte jemand vom Tal her unsere starke Taschenlampe beim Gassigang gesehen. Man hatte sich dann wohl zusammengerottet, um uns zu stellen – und im Zweifel zu erschiessen?
Mein Mann konnte ihnen glücklicherweise glaubhaft versichern, dass wir Touristen auf dem Weg zum Meer sind, die sich total verfahren hatten. Und am Ende entschuldigten sie sich brummelnd bei uns. Erleichtertes Aufatmen auf beiden Seiten. Denn die anderen hatten vermutlich ebenso Angst vor uns wie wir vor ihnen.
Unsere Nachtruhe war jedenfalls dahin. Dennoch legten wir uns wieder aufs Ohr, versuchten uns zu beruhigen und ein wenig zu schlafen. Kaum ging die Atmung wieder normal, und wir waren eingedöst, das gleiche Spektakel um halb Vier Uhr morgens nochmals von vorne. Dieses Mal vermutlich die andere Hälfte der Dörfer. Mit ähnlichen Androhungen, uns als Viehdiebe zu erschiessen.
Jetzt hatten wir endgültig genug von diesem idyllischen Nationalpark. Nachdem wir unser Leben auch hier erneut überzeugend verteidigt hatten, wollten wir keine Minute länger an diesem „gastlichen Ort“ verweilen. Wir machten uns einen starken Espresso, zogen unsere Jeans und Pullis über die Schlafanzüge und suchten „subito“ noch im Dunkeln das Weite. Die Serpentinen entlang, den Berg hinunter bis wir wieder in der Zivilisation angekommen waren. Und sicher sein konnten vor der Lynchjustiz süditalienischer Landwirte.
Was lernen wir daraus? – Die Mafia ist offensichtlich nicht das Gefährlichste in Süditalien. Und wenn man schon ein Wohnmobil besitzt, das aussieht wie ein Lastwagen Kleintransporter. (Was vielfach grosse Vorteile hat). Dann sollte man wenigstens die Landessprache beherrschen, wenn einem sein Leben lieb ist! Und es gibt meist nichts, was man nicht mit Kommunikation lösen könnte.
Ob wir Süditalien empfehlen können? – Auf jeden Fall und immer wieder gerne…in abgelegenen Regionen sind sicherlich Italienischkenntnisse von Vorteil. Und ein paar Hunde Leckerlis an Bord können bei „Wild-Campern“ auch nie schaden.
nurMUT…in manchen Fällen ist Reden halt doch „Gold“. Petra
Liebe Petra,
Was für eine tolle Geschichte. Ohne diese besondere Erfahrung wäre dieser Urlaub zwar schön gewesen, aber er wäre sicherlich nicht so detailliert in Erinnerung geblieben – auch die schönen Seiten daran.
Die Story war auch für mich sehr unterhaltsam und hat mich doch oft zum Schmunzeln gebracht.
Liebe Katrin, danke für Dein Feedback. Freut mich sehr, dass ich dich zum Schmunzeln bringen konnte. LG Petra
Wie schön! Apulien ist immer eine Reise wert. Dein herrlicher Artikel weckt meine Erinnerungen an die Wochen, die ich mal in Ostuni verbracht habe. Wundervoll!
Liebe Sandra, Du hast Recht. Ostuni ist auch herrlich, mit seinen engen Gassen, den weissen Häusern und dem (damals) besten Gelato in der Altstadt. Möglicherweise auch noch eine Geschichte wert..in Teil 2 unserer Giro d’Italia. Bleib dran…freue mich über Deine Kommentare. Liebe Grüße Petra
Tolle Geschichte… ganz genauso hätte uns das auch passieren können! Aber es sind genau diese Erlebnisse die quasi das Salz für die Suppe liefern.
Wir stehen auch ständig an allen (un)möglichen Stellen und sind z.B. nur durch Glück und Zufall dem Abschleppwagen entkommen… wir hätten sicher dumm aus der Wäsche geschaut wenn das Rollhotel nach dem Spaziergang nicht mehr am abgestellten Ort gestanden hätte.
Aber mit Erschießung wurde uns bis dato noch nciht gedroht:-) Aber wir waren ja auch noch nicht in Süditalien…
Liebe Grüße
Petra
Danke Dir! Ja, das sind die Geschichten nach dem Motto „no risk, no fun“. Oder eben „no story“…das Gute bei
unserem Mobil: zu gross zum Abschleppen. Dafür aber: Verdacht auf Kuhklau via LKW…bin weiterhin gespannt auf
Eure Reiseerlebnisse..