Leo – ein Appenzeller erobert unsere Herzen & die Welt
Wie ein kleiner Innerrhödler mein Herz reparierte
Leo – ein Appenzeller erobert unsere Herzen & die Welt.
«Leo»?, wird man sich vielleicht fragen. Das ist doch nun wirklich kein typisch Appenzeller Vorname.
Aber beginnen wir von Anfang an…
Trauer ist der Preis für den Mut zu lieben.
Am Anfang war da nämlich eine grosse Lücke und unendliche Traurigkeit, als unser geliebter Monsieur Monet uns nach 16 glücklichen, gemeinsamen Jahren im März 2023 verlassen musste. Mein Seelenhund, mein Schatten und treuer Begleiter auf allen Wegen und Reisen.
Nein, wir wollten erstmal keinen Hund mehr. Da waren wir uns einig. Argumente dagegen gab es wie Sand am Meer:
Nicht mehr gebunden sein. Vielleicht nun ja doch mal wieder andere Kontinente bereisen. Erst einmal den Verlust verarbeiten. Niemals mehr einen solchen Ausnahmehund finden zu können. Ein geliebtes Wesen ist doch nicht einfach so schnell zu ersetzen. Erst einmal Luft holen…
Aber soviel Luft holen konnte ich gar nicht, wie ich gebraucht hätte, um diese Lücke zu schliessen. War ich mit Monet täglich dreimal durch die Gegend spaziert, wollte ich ohne ihn nicht ein einziges Mal vor die Tür gehen. Ohne Hund fühlte ich mich wie «Falschgeld», als ob mir ein Körperteil fehlte. Jeder Winkel unserer Heimat rief uns leise «Monet» entgegen. Wer niemals einen Hund als besten Freund hatte, denkt nun vielleicht, die spinnen. Alle anderen werden wissen, wovon hier die Rede ist.
Folge Deinen Träumen – immer!
Inmitten dieser grossen Traurigkeit hatte ich eines nachts einen Traum. Von einem Hund mit weissen Pfoten und einer weissen Schwanzspitze. Als ich Robert davon erzählte, begannen wir langsam wieder das Thema Hund zu fokussieren, um das wir bis dato einen grossen Bogen gemacht hatten.
Einen Hund aus dem Tierschutz? – Schließlich hatten wir auf unseren vielen Reisen bereits genügend arme, jedoch sehr liebe Vierbeiner treffen dürfen, um ein Herz für diese zu entwickeln. Vielleicht liefe uns ja der Geeignete eines Tages über den Weg?
Robert war jedoch skeptisch, da wir einige traumatisierte Hunde aus dem Tierschutz kennen, die in der Haltung sehr kompliziert und deshalb zum Reisen nicht geeignet sind. Und reisen mit unserem Wohnmobil wollten wir auf jeden Fall weiterhin.
Auf keinen Fall einen Hund, der Monet ähnlich ist. Bloss niemals vergleichen. Einen Hund aus der Region wollte Robert. Am Liebsten eine heimische Rasse. Ein Stück Heimat. Ein Appenzeller Sennenhund?
Bei unserem befreundeten Tierarzt, der sich mit Appenzeller Sennenhunden gut auskennt, stieß dieses Vorhaben auf offene Ohren.
Ich war eher skeptisch. Denn einen gezüchteten Rassehund wollte ich auf gar keinen Fall. Zu viele ungute Erfahrungen hatte ich in meiner eigenen Familie bereits gemacht mit Rassehunden, die allesamt krank gezüchtet waren. Vom Dackel mit Dackellähmung über die Deutsche Dogge mit Hüftdysplasie bis zum Hovawart mit epileptischen Anfällen. Jedes Mal ein viel zu frühes, tragisches Trauerspiel. Nein danke!
Ich wollte wieder einen robusten Mischling. Ein Kind der Liebe sollte es sein. Keine von Menschen geplante Züchtung – wie unromantisch und im Zweifel auch ungesund.
Wie so oft, wenn man Themen diskutiert, landet man heutzutage früher oder später im allwissenden Word Wide Web. Und wie so oft, wollte ich «nur mal gucken». Auch das kennen Hundebesitzer zur Genüge. «Nur mal gucken», ist gefährlich und meist unrealistisch.
So auch in meinem Fall. Denn wie der Zufall (das Schicksal? Karma? der liebe Gott?) es wollte, gab es auf einem Bauernhof in unserer Region einen Wurf junger Appenzeller Bläss Mischlinge. Dass diese auf den Fotos unendlich herzig waren, brauche ich wohl nicht zu betonen.
Ein Anruf beim Landwirt. Ein zweiter beim Freund und Veterinär unserer Vertrauens, Hermann und seiner Frau Rosmarie. Ein Besichtigunsgtermin am nächsten Tag war schnell vereinbart.
«Ein Innerrhoder also?», sagte Hermann, als ich ihn und seine Frau mit dem Auto abholte. Das gefiel ihm, gehörte er doch selbst zu der äußerst seltenen Spezies der Appenzell Innerrhoder.
«Wir schauen uns zuerst die Mutterhündin an», sagte er vorab.
Da die besagte Landwirtschaft irgendwo im Nirgendwo der Appenzeller Hügellandschaft, in der Nähe von Gonten, lag, und der Landwirt mir den Weg am Telefon nicht wirklich verständlich beschrieben hatte, klapperten wir zunächst einige Höfe ab. Überall begrüssten uns die typischen Hofhunde, die sogenannten Bläss wegen ihrer typisch weissen Blesse, die sich von der Stirn über die Nase bis seitlich zu den Fängen zieht. Einer bellte sich die Seele aus dem Leib, der nächste flüchtete mit eingeklemmtem Schwanz. Bei jedem sagte Tierarzt Hermann. «Kannst Du vergessen! Kein gutes Wesen.» Ohje!!
Endlich fanden wir schliesslich nach nochmaligem Anruf den richtigen Hof der Familie Signer. Ganz oben über allen Hügeln mit Blick zum Bodensee. Was für ein begnadetes Plätzchen!
Eine stattliche Appenzeller Sennenhündin näherte sich uns interessiert aber vorsichtig, sah sich nach ihrem Frauchen um, das von hinten aus dem Haus auf uns zukam, und wedelte sodann freudig mit dem Schwanz. Als wir die Dame des Hauses begrüssten, durften wir auch die Mutterhündin streicheln, die das sichtlich genoss. Hermann nickte mir lächelnd zu. Eine gute Hündin.
In einem abgetrennten Bereich im Kuhstall schliesslich der Welpen-Kindergarten. Zwischen gefühlten hundert Stofftieren wuselte eine lustige Fellnasen-Gesellschaft umher. Als wir näher kamen, produzierten sich die frechsten der Zwerge keck am Gatter.
«Hier, ich!», «Ich zuerst!» «Schau mal, wie süss ich bin!»
Herzerwärmend! Drei der Welpen hatten kurzes, gestromtes Fell. Drei hatten längeres, kuscheliges Fell, einer davon schwarz, zwei davon Tricolour schwarz-braun-weiß. Frau Signer liess die ganze Rasselbande frei. Wie der Blitz rasten die Welpen über den Hof. «Fangt uns doch!»
Nur einer, der kleinste und pummeligste, kam nicht ganz hinterher.
Meine Begleiterin, Rosmarie, hatte sich wohl sofort in dieses etwas unbeholfene, knuddelige Fellbündel verliebt. Sie nahm ihn auf den Arm und herzte ihn. Ein Tricolour. Ein wenig sah er aus, wie ein zu klein geratener Berner Sennenhund mit seinem kuscheligen Fell. Welcher durchreisende «Tourist» hier wohl als Papa seine Gene im Spiel hatte? Wir werden es wohl nie erfahren. Ein wahres «Kind der Liebe», soviel stand fest.
«Die mit dem kurzen Fell sind alle schon weg», informierte uns Herr Signer, der inzwischen ebenfalls vom Feld gekommen war. «Der schwarze und die beiden Tricolour sind noch zu haben. Aber das Weibchen behalten wir vielleicht selbst.«
Soso, der kleine Pummel, der Rosmaries Herz im Sturme erobert hatte, war also noch zu haben.
Und er war wirklich herzallerliebst. Wie er vor lauter Fell über seine eigenen Beinchen stolperte und dabei keck aus seiner schwarzen, leicht asymmetrisch verrutschten «Panzerknackermaske» in die Welt blickte. «Liebenswürdig, frech und ein wenig schräg», so mein erster Eindruck. Also ganz anders als Monsieur Monet, der stets etwas Elegantes, Aristokratisches und Distanziertes an sich hatte. Anders als Monet, das war es, was wir wollten. Bloss nichts Vergleichbares.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir mit den Welpen spielten, fuhren wir wieder ab. Ich hatte mir etwas Bedenkzeit erbeten, denn Robert sollte ja auch mitentscheiden. Das Tierarztehepaar war äußerst angetan von den Hunden, ihren Segen hatte ich.
Nachdem Robert und ich abends dann nochmals den Gontener Hügel erklommen hatten, und den ersten kleinen Spaziergang mit dem noch namenlosen Fellbündel unternahmen, war es um uns geschehen. Der kleine Pummel plumpste unbeholfen in die Regenrinnen auf dem Weg und blickte uns dann jedesmal verdutzt, aber unerschrocken an, um es das nächste Mal wieder zu versuchen und uns vertrauensvoll zu folgen. Wir hatten wieder einen Begleiter gefunden!
Leo – ein Appenzeller erobert unsere Herzen im Sturm!
Und dieser Hund hat vier weisse Pfoten, eine weisse Brust, ein weißes Dreieck im Nacken und eine weiße Schwanzspitze an seiner typischen Appenzeller Posthörnchen Rute. Wie in meinem Traum. Ganz klar, daß auch diese Fellnase mit seiner weissen Pinsel-Rutenspitze einen Künstlernamen haben sollte. Robert schlug Leonardo vor. Leonardo wie der Künstler Leonardo da Vinci.
Für seine Freunde kurz: Leo. So wie Löwe auf lateinisch. Das gefiel mir. Leo, der Kreative und Löwenstarke! Geboren in einem Feuerzeichen. Mutig, temperamentvoll, stolz und mit sonnigem Gemüt. Passt!
Nun haben wir also einen echten Appenzell Innerrhödler in unserem Rudel. Eingeweihte wissen, wie willensstark, stolz und speziell die Innerrhödler sein können. Mensch wie Hund. Aber auch inniglich und wahre Freunde, wenn man die ersten Hürden erst einmal genommen hat. Und ihren Humor versteht.
Nicht anders erging es uns mit Leo. Der kleine schüchterne Hinterher-Zögling entpuppte sich nämlich recht schnell als selbstbewusste, willensstarke Hundepersönlichkeit mit Durchhaltevermögen. Was er sich in den Kopf setzt, versucht er mit allen Mitteln (charmant & klug) zu erreichen. Gepaart mit seiner hohen Intelligenz als Hütehund mütterlicherseits will Leo beschäftigt werden. Körperlich wie geistig. Den ganzen Tag!
Dabei ist unsererseits viel Engagement und auch das eine oder andere Learning gefragt. Denn intelligente Hunde lernen schnell, wissen aber auch, ihre Menschen «um die Pfote zu wickeln». Dazu kommt, dass der «unbekannte Tourist» väterlicherseits nicht nur ein langhaariger Hippie mit seidigem Fell und Vagabund gewesen sein muss, sondern auch Spürnasen- und Jäger-Gene mit vererbt hat.
Ein echter Macher also. In jeder Hinsicht!
So haben wir wieder eine grosse, zusätzliche Aufgabe. Und das ist gut so! Fitness- und Gehirntraining an der frischen Luft hält jung und agil. Die eine oder andere nette Bekanntschaft mit Gratiskaffee im Garten hat uns unser «ausgebüxter Hund» ebenfalls schon beschert. Kommunikativ wie die Innerrhödler eben so sind…
An das Reisen im Wohnmobil haben wir ihn bereits mit wenigen Wochen gewöhnt.
Als Freigeist und neugieriger Hund gefällt ihm der ständige Tapetenwechsel mit vielen zwei- und vierbeinigen Freunden in ganz Europa richtig gut. Mit seinem frechen Leo Charme ist er auch auf Reisen ein echter Herzensbrecher.
Wen wundert’s, dass er in jedem Hafen gebrochene Hundedamenherzen hinterlässt? Dass er als eher kleiner, sehr selbstbewusster Appenzeller auf grössere, stattliche Hündinnen steht, versteht sich dabei von selbst.
Was ihn deutlich unterscheidet vom stets zurückhaltenden, distanzierten Monsieur Monet: Leo ist ein echter Kampfschmuser, der mit seinen inzwischen ausgewachsenen 20 Kilo Lebendgewicht gerne mal flächendeckend auf unserem Schoss hockt und sich ausgiebig kraulen lässt. Und glaubt mir, niemand seufzt vor Genuss so schön wie dieser charmante Kerl mit seinem seidig flauschigen Kuschelfell.
Was wir antworten, wenn uns jemand nach seiner Rasse fragt? Leo ist ein waschechter Kaschmir-Bläss! Ebenso unbezahlbar wie die gleichnamigen Luxus-Strickwaren.
Fröhlich und friedlich, wie er ist, kommt er mit Mensch und Tier prima zurecht. Einzige Ausnahme: KATZEN! Der Erbfeind schlechthin…hatten nicht die alten Appenzeller im 19. Jahrhundert Katzen auf ihrem Speiseplan…? Aber das ist wiederum eine ganz andere Geschichte…
Apropos Geschichten…ab jetzt wird der mutige Leo uns auf unserem Blog und in unseren Reisegeschichten begleiten. Die nach langer Schreibpause nun endlich wieder zu Papier…äh… auf den Bildschirm gebracht werden. Wir freuen uns, wenn Du uns weiterhin begleiten wirst… wohin das Herz uns künftig auch immer treiben mag.
Herzlichst Dein Appenzeller Reiserudel.
Liebe Petra,
wie schön, dass Du wieder schreibst und uns von Eurem neuen Lebensbegleiter erzählst.
Ich wünsche Euch wunderbare gemeinsame Zeiten – daheim und unterwegs !