Wieso fördert eine Wurstpelle das Team Building?

Im Leid vereint - Team Building!

Wieso fördert eine Wurstpelle den Teamgeist Naturbelassene Teambildung im Appenzellerland.

Wie viele Team Building, Motivations- oder Selbstfindungs-Trainings hast Du in Deiner beruflichen Laufbahn schon über Dich ergehen lassen? Noch keine? – Dann wird Dir dieser Artikel vielleicht ein bisschen befremdlich vorkommen. Aber Ehrenwort! Ich übertreibe nicht, alles hat sich so zugetragen.
Denn wie schon Sir Arthur Conan Doyle so treffend zu sagen pflegte:

„Das Leben ist unendlich viel seltsamer als irgendetwas,
das der menschliche Geist erfinden könnte.
Wir würden nicht wagen, die Dinge auszudenken,
die in Wirklichkeit blosse Selbstverständlichkeiten unseres Lebens sind“.

Und dennoch beginnt diese Geschichte klassisch wie ein Märchen:

Es war einmal…

…ein bunt zusammengewürfeltes Kollegenteam, bestehend aus langjährigen „alten Hasen“ und neuen Jungspunden. Dazu ein neuer Chef, der „den Laden so richtig auf Vordermann bringen sollte“. Und das Team einschwören. Auf den neuen Wind, der da in Zukunft wehen sollte. 

Was wäre da besser geeignet als ein neudeutsch sogenanntes Team Building? In ungezwungener Runde, fernab des Büroalltages, am Besten irgendwo in den Salzburger Bergen. Dort stammte der neue „High Potential Chef“ nämlich ursprünglich her. Drei Tage ohne Stress, nervende Kunden. Ohne Kostüm und Anzug. Einfach mal so ganz zwanglos und „privat“ in idyllischer Umgebung. Sich mal so richtig kennenlernen. Klingt doch eigentlich ganz gut, oder? Wer hätte da nicht gerne teilgenommen?

Auch ich, hoffnungsfroh und bis dato zwar in vielen professionellen Rhetorik- und Vertriebstrainings geschult, sah dieser Team Building Sache erfreut und gespannt entgegen. Man hörte ja immer wieder von diesen neuen Managementmethoden.

So fuhren wir also im Hochsommer gut gelaunt in mehreren Fahrgemeinschaften ins Salzburgerland. In ein typisch österreichisches Idyll Hotel am Rande des Gebirges. Bevor der erste Abend nach dem Abendessen mit den Vertriebskollegen zu feuchtfröhlich zu werden drohte, verabschiedete ich mich auf mein Zimmer. Was mir bereits die ersten Kommentare meines Chefs als „Spassbremse“ und „Spielverderber“ einbrachte. Nun, ich war müde und dachte nicht weiter darüber nach.

Sogar Mutter Natur verlangt nach ihrem eigenen Dresscode.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück, bei schönstem sonnigen Wetter, wartete ein Bus auf uns. Der sollte uns an ein unbekanntes Ziel bringen…Überraschung! Wir fuhren also bergige Serpentinenstrassen hinauf und hinab. Während draussen das Thermometer in Richtung der 30°C Marke kletterte. Endlich spuckte der Bus uns irgendwo im Nirgendwo aus. An einem heftig sprudelnden Bergfluss in einer bewaldeten Gegend. Dort wartete auch schon der stets vor sich hin grinsende „Teamtrainer“ auf uns. Zusammen mit zwei kernigen österreichischen Burschen, einem Haufen herumliegender Plastikfässer und jeder Menge Baumstämme. Dazwischen Seilstücke. Und…oh Schreck. Ein Kleiderständer mit auf Bügeln aufgereihten unförmigen Gummianzügen, auch Neopren genannt. Daneben auf einem Tisch Bergsteigerhelme. Die ohnehin latente Übelkeit von der Fahrt durch die kurvigen Strassen in einem nichtklimatisierten Bus verstärkte sich beim Anblick all dieser „Zutaten“ von Sekunde zu Sekunde. Schwante uns doch langsam, für wen diese seltsamen Outfits gedacht waren. 

Bevor wir richtig zu uns kamen, tönte es auch schon von unserem äußerst motivierten Trainer zu uns herüber: „Hopp, hopp, alle umziehen! Raus aus Euren Klamotten, rein in die Neoprenanzüge! Und ab dann zählt die Zeit“. Vermutlich hätte es schöne Fotos gegeben, wenn einer von uns noch in der Lage gewesen wäre zu knipsen. Verdutzt schauten wir erst uns an. Dann diese unförmigen, offensichtlich schon mehrfach von anderen Unbekannten getragenen Anzüge. „So, nun sucht Euch Eure richtige Grösse aus. Da hinten ist eine Hütte zum Umziehen. Und dann bildet drei Teams.“ Daraufhin bestimmte der Trainer wahllos drei Kollegen als Teamchefs, die Ihrerseits ihre Teammitglieder auswählen durften.

Den letzten beissen die Hunde.

Kannst Du Dich an das Gefühl erinnern, wenn im Schulsport die Völkerball Mannschaften von den jeweiligen Teamchefs ausgesucht wurden? Und Du inständig hofftest, nicht der Letzte zu sein, der dann halt gnädig und mit säuerlicher Miene mit aufgenommen wird? Unweigerlich fühlte ich mich in diese Schulsituation zurückversetzt. Seltsam, wie diese Mechanismen auch nach Jahren noch funktionieren.

Nun, ich hatte Glück und gehörte nicht zu den Letzten. Aber das war in dieser Situation auch schon egal. Denn mit Todesverachtung suchte ich mir einen Anzug aus, der vielleicht passen könnte. Die meisten von uns waren bis dato weder Surfer noch Kiter. So dass wir mit derlei Material gänzlich unvertraut waren. In unserer schicken leichten Freizeit Sommergarderobe entschwebten wir in Richtung „Hütte“. Dort entledigten wir Damen uns in einem muffig riechenden Sanitärraum vor den viel zu engen Toilettenhäuschen unserer Sommerkleidung. Bei der Gelegenheit bekamen wir allesamt Gelegenheit, die weiblichen Formen der jeweils anderen Kollegin in Augenschein zu nehmen. Was man ja auch nicht alle Tage erlebt im Büro- und Manageralltag. Aber das gehört wohl auch zum Team – sehr intim, sage ich nur.

Hast du bei 30° im Schatten schon einmal versucht, Dich verschwitzt in einen Neoprenanzug zu zwängen? Im Angesicht Deiner neuen Mitarbeiterinnen und Kolleginnen oder Kollegen. Das ist ein Erlebnis der besonderen Art. Dabei löst sich nicht nur das Make Up und die ordentlich gestylte Frisur gänzlich auf. Auch der Rest Deiner Würde fängt an, dahinzuschmelzen wie Eis in der Sonne.

Dass dies der tiefere Sinn solcher Trainings sein soll. Nämlich die sukzessive Demontage jeder einzelnen Persönlichkeit, um deren Belastbarkeit und Psyche zu testen, erfuhr ich erst viel später. Aber dazu ebenfalls später mehr. Denn es sollte leider nicht meine einzige Business Erfahrung dieser Art bleiben.

Weisst Du, wie sich eine Cervelat im Sommer fühlt?

Als wir dann also alle endlich glücklich und reichlich derangiert in unseren Gummi Wurstpellen steckten. Und die Helme auf den verschwitzen Köpfen hatten, wie dereinst das Comic Küken „Calimero“ seine Eierschale. Boten wir vermutlich ein jämmerliches, sicherlich aber zum Schreien komisches Bild. Für denjenigen, der nicht in diesen muffigen Wurstpellen steckte. Davon abgesehen, dass diese nun wirklich kein schlankes Bein machen, sofern man nicht David Beckham oder Claudia Schiffer heisst.

Wohlwollend könnte man natürlich im Nachhinein sagen:

„Im Leid vereint“ – Team Building“.

Davon war nicht die Rede gewesen, als ich mich entschieden hatte, für dieses internationale Modeunternehmen zu arbeiten. Dass der Job neben der fachlichen und sozialen Kompetenz zusätzlich von den Mitarbeitern verlangte, sich vor seinen Kollegen und seinem Chef möglichst lächerlich zu machen bzw. so richtig schlimm auszusehen. Ich ging in der Welt der Mode immer vom Gegenteil aus. So kann man sich irren.

„Wir sitzen alle auf einem Floss – und gehen im Zweifel gemeinsam unter“.

Damit aber nicht genug. Wir waren ja nicht zum Vergnügen angetreten. Die Aufgabe der Teams bestand nun darin, möglichst schnell ein tragfähiges Floss zu bauen aus Plastikfässern, Baumstämmen und Seilen. Und dann mit diesem Ungetüm den reissenden, eiskalten Fluss hinunter zu fahren. Möglichst ohne nennenswerte Verluste.

Nun wurden auch diejenigen unter uns nervös, die keine ausgesprochenen Wasserratten oder Sportler waren. Vor allem die älteren, gesetzten Männer aus dem Vertrieb mit leichtem Bauchansatz – und wie ich im Nachhinein vermute – Hang zur Risikogruppe der Herzinfarkte.

Auch wenn ich mir natürlich denken konnte, was das Ganze im Entferntesten mit Teambildung zu tun haben sollte, kam ich aus dem Staunen und Wundern nicht mehr heraus. Was erwachsene Menschen so alles mitmachen (müssen), wenn das Unternehmen es verlangt. Inklusive meiner Wenigkeit – man möchte es nicht glauben.

Am Ende haben auch alle drei Teams irgendwie flossartige Gebilde zustande gebracht. Und sind mehr oder wenig unbeschadet diesen Gebirgsfluss hinunter gedonnert.

Ab durch die Büsche oder wo gehts hier zum FKK?

Auch beim erneuten Wechsel von Neopren in leichte Sommerbekleidung wurden wir mit den verschwitzen Körpern unserer Kolleginnen konfrontiert. Dieses Mal allerdings nicht in einer muffigen Hütte, sondern Freiluft, hinter Bäumen und Büschen. Denn am Ziel gab es gar keine Umkleidekabinen mehr. Unsere Kleidung wurde uns per Bus hinterher gefahren. Dass wir bei dieser Gelegenheit dann auch noch das zweifelhafte Vergnügen eines Striptease unsers damaligen Chefs in freier Natur geboten bekamen, machte die Veranstaltung in meinen Augen nicht unbedingt besser.

Du fragst Dich vielleicht, ob unser Team nach dieser Aktion besser zusammengewachsen war?

Nun, wir hatten zumindest ein gemeinsames Grauen, von dem wir noch monatelang zehren und erzählen konnten. Das hatte tatsächlich ein gewisses verbindendes Moment.

Möglicherweise war ich auch wirklich undankbar. Einen derart aufwändigen und kostspieligen Firmen Event nicht in der gebührenden Art und Weise zu würdigen. Vermutlich liegt es einfach daran, dass ich tatsächlich gar nicht teamfähig bin. Und trainigs-renitent. Oder halt eben doch eine Spassbremse.

Ach, fast hätte ich es vergessen zu erwähnen. Der Teamtrainer war rein zufälligerweise ein guter Freund unseres neuen Chefs. Was uns in Zukunft leider noch mehr dieser unsäglichen externen Trainings bescherte. Aber das ist wieder eine andere, nicht minder skurrile Geschichte…nämlich die von weinenden Key Account Managern und panischen Chefsekretärinnen…

nurMUT…auch leidvolle Erfahrungen können manchmal verbinden. Petra

1 Kommentar zu Wieso fördert eine Wurstpelle das Team Building?

  1. Ach herje! Mir kam die Teambuildingsache auch schon immer suspekt vor.

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