Auf den Spuren von Monet – Herbstwandern in der Normandie
Spontane Auszeit mit Reisemobil und Hund
Spontan vom Schwarzwald in die Normandie.
Eigentlich wollten wir diesen Herbst mit unserem Hund Monet noch ein paar Tage zum Wandern in unsere geliebten Dolomiten fahren. Als wir jedoch Ende September zum Geburtstag meines Vaters mit unserem Reisemobil im Schwarzwald zu Besuch waren, kam uns ganz spontan eine andere Idee. Denn der Wetterbericht kündigte für die folgende Woche phantastisch mildes Spätsommer Wetter an.
»Wir sind doch fast schon an der französischen Grenze«, meinte mein Mann, »hast Du Lust, spontan an den Atlantik zu fahren?«
»Ans Meer? -Immer!“, sagte ich, denn Berge haben wir zuhause ja wirklich genug, und am Meer waren wir schon lang nicht mehr. »Aber ich hab gar nicht so viele Klamotten eingepackt, eigentlich nur für ein Wochenende«, gab ich zu Bedenken.
»Das sollte ja wohl das kleinste Problem sein« konterte Robert, »Du hast doch sowieso immer viel zu viele Sachen dabei«. Wo er recht hat, hat er recht. Denn welche Frau packt nicht immer für alle Eventualitäten?
Dennoch fragte ich meine Mama, ob wir noch ein paar Sachen bei Ihr waschen dürften. Wir durften, bekamen auch noch einen Satz kuschelige Ersatzbettwäsche mit auf den Weg, die besten panierten Mama Schnitzel der Welt, ein vom Konditormeister-Papa selbstgebackenes Brot, vier Stückchen Geburtstag Käsesahnetorte, einen feinen Gugelhupf und die besten Wünsche. Derart gut gewappnet, konnte es losgehen.
Über die Vogesen in Richtung Champagne, wo wir auf halbem Weg vor Paris unseren ersten Zwischenhalt und eine Übernachtung auf einem kleinen, kostenlosen Stellplatz in Ligny-en-Barrois einlegten.
Am nächsten Tag umrundeten wir auf der Stadtautobahn A86 Paris und sahen in der Ferne sogar den Eiffelturm hervor blitzen und die hohen, glänzenden Bürotürme von La Defense. Nach soviel Stadt freuten wir uns erst recht auf die Ruhe an der Atlantikküste. So sehr, dass wir bis Le Havre weiterfuhren und am Nachmittag ca. 25 km nordöstlich der grossen Hafenstadt einen superschönen, kleinen Stellplatz fanden direkt an der Steilküste und am Leuchtturm des 400 Seelen Dörfchens La-Poterie-Cap d’Antifer.
Wir konnten unser Glück kaum fassen, denn wir bekamen sogar einen Parkplatz mit direktem Meerblick. Und da wir ein sehr hohes Reisemobil haben, störte der Drahtzaun, der hier zur Sicherheit der Besucher wegen der steil abfallenden Küste errichtet wurde, unsere Aussichtsfreude überhaupt nicht.
Unverhofft kommt auf – ein netter Nachbar inspiriert uns.
Im warmen Spätsommer Licht des Septembernachmittags machen wir einen ersten kleinen Erkundungsspaziergang entlang der Küstenwiesen, von deren Landseite uns interessiert ein paar eindrucksvolle Normandie Kühe beäugen, Milchlieferanten für den aromatischen Rohmilch Camembert.
Wie fast überall an den Küsten Nordfrankreichs findet man auch hier, inzwischen von der Natur teils überwucherte Betonbunker, Mahnmale an den Zweiten Weltkrieg. Die heutzutage wenigstens als erhöhte Aussichtspunkte pazifistisch zweckentfremdet werden können.
Zurück am Wohnmobil angekommen, läuft unser Reisehund Monet freudig wedelnd zu einem Herrn, dem offensichtlich ein Wohnmobil gehört, das direkt vor uns parkt. Während er unseren Hund krault, erzählt uns der freundliche, allein reisende Mann, was er bisher auf seiner Reise von Düsseldorf bis hierher schon alles gesehen hat. Vor allem schwärmt er vom »Sentier Littoral«, dem Küstenwanderweg, auch »alter Zollweg« genannt, der grosse Teile der französischen Küste umspannt. Auch hier, direkt beim Leuchtturm des Cap d’Antifer, beginnt der Einstig zum ausgeschilderten GR 21 und führt zu den bekannten Felsentoren von Etrétat, immer entlang der imposanten Alabasterküste mit ihren steilen Kreidefelsen und einer sensationellen Aussicht über den Atlantik und das flache Hinterland.
Da wir diese spontane, kleine Auszeit überhaupt nicht vorbereitet haben, sind wir unserem netten, kommunikativen Nachbarn sehr dankbar für diesen tollen Tipp und beschliessen, am nächsten Tag mit Rucksäcken, Wanderstöcken und natürlich mit Monet die Wanderung zu den berühmten Klippen, den»Falaises d’Etrétat« zu unternehmen.
Nach einem atemberaubenden Sonnenuntergang und einer sehr ruhigen Nacht auf unserem kostenlosen Stellplatz, erwachen wir an einem erneut sonnigen und für den Atlantik aussergewöhnlich windstillen Traumtag. So ruhig und zahm wie jetzt hatten wir die Normandie bei unserem ersten Besuch im Dezember vor einigen Jahren nicht erlebt.
Schnell die Rucksäcke gepackt mit etwas Wasser, belegten Broten, Obst und Hundefutter, die Kameras gezückt und in der Früh gleich los.
Die Kühe, die gestern Abend von der rot glühenden Sonne zum Leuchten gebracht wurden, liegen noch faul in der vom Morgentau feuchten und kühlen Wiese, während Herr Monet diesseits des Drahtzauns interessiert schnüffelnd an ihnen vorbei defiliert. Unter uns plätschert der Atlantik ungewöhnlich träge und ohne Wellengang an die hohen Kreidefelsen und die kleinen Kieselstrände, die zwischen den majestätischen Felseinschnitten ganz weit unten liegen, jetzt am Morgen noch im Schatten.
Wir folgen dem schmalen Küstenweg, der zunächst geradeaus und eben auf den Klippen entlang führt. Nach ca. einer Viertelstunde kommen wir zum ersten Felseinschnitt, der unseren Weg steil nach unten führt.
»Wer hätte gedacht, dass man am Meer solche Abstiege und Steigungen vorfindet?« Hier könnte man glatt Alpentraining machen. Wir sind froh, das wir unsere Wanderstöcke dabei haben, denn sie erleichtern den Abstieg doch enorm auf der morgenfeuchten Erde und den rutschigen Steinen.
Im kleinen Taleinschnitt, den wir erreicht haben, zweigt links eine schmale, steile Betontreppe ab, die Verbindung auf den letzten Metern zur ersten kleinen Kieselbadebucht und zum Wasser. Monet steuert instinktiv die Stufen an, denn er hat Wasser gewittert. Badezeit!!
Wir beschliessen jedoch, das Bad im kühlen Nass auf den Rückweg zu verschieben, da der Strand noch komplett im Schatten liegt, und wir uns jetzt lieber an der Morgensonne wärmen wollen. Also steigen wir, dem Weg folgend, wieder steil die nächste Klippenwand hinauf und wandern entlang ausladender Brombeerhecken und der Küste weiter.
Monet auf der Spur seines berühmten Namensgebers.
Über die Falaise d’Aval wandern wir mit unserem Vierbeiner Monet, quasi in den Fussstapfen seines berühmten Namensvetters, dem Impressionisten Claude Monet. Dieser kam vor 150 Jahren immer wieder hierher, um die einzigartigen Felsformationen im unvergleichlichen, je nach Jahreszeit stets wechselnden Licht zu malen. Seine impressionistischen Normandie Bilder sind weltberühmt und wertvoll. Obwohl unser kleiner Künstler sich der besonderen Geschichtsträchtigkeit dieses Ortes nicht bewusst ist, wandert er mit stolz erhobener weisser Schwanzspitze, seinem persönlichen Pinsel, begeistert vor uns her.
»Auch uns ist unser echter Monet sehr viel wert, geradezu unbezahlbar«, denke ich, während ich hinter ihm her wandere, »auch wenn er nicht weltberühmt ist!«, und muss schmunzeln.
Als wir nach den anderen, ebenfalls sehr eindrucksvollen Felsentoren, die auf unserem Weg links ins Meer ragen, nach ca. anderthalb Stunden endlich die berühmte Porte d’Aval erblicken, können wir Claude Monet sehr gut verstehen. Und müssen auch dem Schriftsteller Guy de Maupassant recht geben, der seinen Künstlerfreund Monet vor 150 Jahren dort besuchte, und das Felsentor mit einem Elefanten verglichen hatte, der seinen Rüssel ins Meer steckt.
Wir finden, dass der Felsvorsprung an der nächsten grossen Klippe, der Falaise d’Amont, direkt unter dem Ort Etrétat, ebenfalls einem kleinen dicken Elefantenkind ähnelt, während wir weiter vorne auf der Falaise d’Aval auf einer Wiese sitzen und picknicken.
Wirklich ein ganz besonderer und magischer Ort, an dem wir staunend verweilen und uns vorstellen, wie es hier wohl vor 150 Jahren gewesen ist. Vermutlich ein wenig stiller und weniger touristisch. Denn auch jetzt in der herbstlichen Nachsaison zieht das magische, berühmte Felsentor viele Betrachter an, die von Etrétat aus kurz auf die Felsen gehen, um einen Schnappschuss zu ergattern.
Froh, dass wir uns die Felsen per Pedes von der Ferne erwandert, und dass wir unser Reisemobil nicht im Trubel von Etrétat geparkt haben, treten wir nach unserem Picknick den Rückweg an, der bereits nach ein paar Metern wieder angenehm still und einsamer wird. Bis auf das leise Surren der elektrischen Golf Caddys, die links von uns diskret über den mit Stacheldraht geschützten Golf Platz düsen. »Wer muss denn hier vor wem geschützt werden?«, fragt mich Robert belustigt und mutmasst mit einem ironischen Lächeln, ob es sich hierbei wohl um einen »offenen Vollzug für verurteilte Finanzhaie« handelt.
Lachend setzen wir unseren Weg fort, der nach dem kurzgeschorenen, »stacheligen« Golfplatz wieder wilder wird.
An der steilen Treppe zum Kieselstrand geben wir Monets Drängen dieses Mal nach und legen an den sonnenbeschienen Kreidefelsen direkt am Wasser eine zweite Pause zum Fotografieren und für Monet natürlich auch zum Baden ein.
Nach einer halben Stunde steigen wir die über hundert Treppenstufen zum Wanderweg wieder hinauf und kehren müde und voller eindrucksvoller Bilder und Eindrücke zu unserem Leuchtturm Platz zurück.
»Schade, jetzt können wir unserem netten Wohnmobil Nachbarn gar nicht erzählen, wie sehr wir seinen tollen Wandertipp genossen haben!« sage ich enttäuscht zu Robert, als ich den leeren Parkplatz vor unserem Koffer erblicke. »Und verabschiedet haben wir uns morgens auch nicht von ihm!«
Robert, der die Koffertür aufschliesst, dreht sich zu mir um, wedelt mit einem Blatt Papier und grinst: »Aber der Nachbar hat sich von uns verabschiedet und hat uns noch einige weitere Tipps hier gelassen!«, ruft er mir zu und drückt mir das Karoblatt in die Hand, das unser sympathischer Stellplatz Nachbar an unsere Tür geklebt hatte, und auf dem folgendes stand:
»STELLPLÄTZE DIREKT AM MEER:
– Veulettes-sur-Mer
– Saint Valeri en Caux
– Veules-les-Roses
– St. Aubin-sur-Mer
– Berck PlageGruss »der Nachbar«
Fortsetzung folgt…
Wer immer ihn uns so unverhofft geschickt hatte, diesen freundlichen Nachbarn und Zufalls-Reiseleiter, dem sei Dank! Denn er sollte unsere kleine Normandie Auszeit entscheidend mit prägen. Und zwar im positiven Sinne. Warum? Darüber berichten wir im nächsten Reisebericht: »Der Norden Frankreichs – von Rosen, Robben und Ralf-Peter«
nurMut…die spontanen Entscheidungen im Leben sind oft die Besten und zufällige Reisebekanntschaften auch!
Servus Petra, Robert und Herr Monet,
jetzt warte ich schon so lange auf die Fortsetzung, dass ich schreiben muss. Wie immer sind Eure Berichte einfach toll, beeindruckend und perfekt. Wieder so perfekt, dass ich euretwegen wieder einmal zum überlegen gekommen bin. Ich wollte im November mit Paula an die Nordsee fahren, jetzt aber wird es wahrscheinlich…… die Normandie 😉
Aufgrund eurer Erlebnisse und den Bildern wird Paula und ich den Weg nun nach Westen nehmen, anstatt nach Norden. Einfach super euer Bericht und wie ihr seht, immer wieder eine Inspiration für den ein oder anderen. Dieses mal nun für mich, zum wiederholten Male.
Ich hoffe, ich kann die Fortsetzung noch lesen und genießen bevor es bei mir losgeht.
Beste Grüße von Paula, die es kaum erwarten kann, und mir
Hallo Petra und Robert
Die Bilder und Schilderung von dem von euch so schön empfundenen Kurztripp waren wieder erste Klasse und bestimmt für viele Wohnwagen- sowie Expeditionsmobilisten hilfreich, um diese schöne Landschaft zu erleben.
Wir freuen uns schon auf die nächste Reise von euch. Mein Kurztipp endet meistens im Garten.
Um so mehr freuen wir uns über die Aktivitäten, die ihr immer wieder in eure Unternehmungen aufnehmt.