Auf den Spuren von Asterix & Obelix in der Bretagne
Ein besonderes Abenteuer für wetterfeste Reisende mit autarkem Reisemobil.
Wer kennt es nicht? Das kleine gallische Dorf, dessen unbeugsame Bewohner im Jahre 50 v. Chr. dem römischen Imperator Cäsar und seinen Legionären immer wieder erfolgreich Widerstand leisten. Und deren Häuptling »Majestix« eigentlich nur eine Sache wirklich fürchtet:
«Dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte.»
Für eine Auszeit von Januar bis Mai mit unserem Hund Monet und unserem Reisemobil fiel unsere Wahl auf diese Region. Die Lage der Bretagne am westlichsten Zipfel Frankreichs und am Ärmelkanal verspricht gemässigte Winter ohne Schnee. Da wir am liebsten autark ausserhalb der Hauptsaison verreisen, erschien uns diese landschaftlich reizvolle Küstengegend im Winter und Frühjahr perfekt.
«Wir sind mal gespannt, ob Monet ebenso begeistert wie Idefix in den gallischen Wäldern umher düsen wird, eventuell den Geruch eines Wildschweins in der Nase?»
«Ob die Bretonen wohl immer noch ihren ganz eigenen Kopf haben, wie es den Nachfahren der unbesiegbaren Gallier nachgesagt wird? Sind sie freundliche oder eher wortkarge, mürrische Gesellen? Und wie mag es sein im Winter am tosenden Atlantik?», diese und viele andere Fragen gingen uns durch den Kopf, während mein Mann unser mobiles Heim in zwei Tagen an die Atlantikküste steuerte.
Wo dicke Mauern Geschichten von Mönchen und Piraten erzählen
Unser Bretagne Abenteuer beginnt eigentlich in der Normandie, wo wir Anfang Januar den berühmten Mont-Saint-Michel anpeilen. Eine Felseninsel, deren imposante Benediktinerabtei mitsamt dem kleinen mittelalterlichen Dorf seit dem 11. Jahrhundert wie eine riesige Fata Morgana bei Ebbe aus dem atlantischen Wattenmeer ragt.
Obwohl wir Sehenswürdigkeiten sonst meiden, war die Entscheidung, diesen historisch einmaligen und landschaftlich bezaubernden Ort ausserhalb der Hauptsaison zu besuchen, goldrichtig und ein schöner Einstieg. Wer einmal mit seinem Hund bei Ebbe im Watt um diese majestätische Insel herumgewandert ist, in den engen Gassen dem Geist des Mittelalters nachgespürt und vom Abteiberg aus die Aussicht genossen hat, versteht, wieso die Normandie und die Bretagne sich beinahe streiten, zu welcher Region der Mont Saint Michel denn nun gehört.
Wir jedenfalls überfahren tags darauf die imaginäre Grenze zur Bretagne und begeben uns endgültig auf die Spuren unserer Helden. Die Hafenstadt St. Mâlo entpuppt sich auf dem Weg entlang der Küste als ehemaliges Piratennest, was man sich beim Flanieren durch die engen Gassen der Altstadt mit ihren schweren, grauen Gebäuden gut vorstellen kann. Unweigerlich fallen mir die glücklosen Piraten ein, die im Comic immer den Kürzeren ziehen. Und das obwohl einer von Ihnen sogar Latein zitieren kann. Als »alte Lateinerin« muss ich schmunzeln beim Gedanken, dass man damit wohl auch nicht unbedingt weiter kommt im (Piraten-)Leben.
Auch weiteren malerischen Hafenstädten mit ihren düsteren Festungen werden Piratengeschichten angedichtet, wie z.B. Roscoff, Brest oder Concarneau. Ein Besuch der jeweiligen Altstädte lohnt sich, wenn man gedanklich gern einmal in die Vergangenheit der unerschrockenen Korsaren abschweifen und dem Hauch der Geschichte folgen möchte.
Einsame Strände und ein Küstenwanderweg mit Traumaussichten.
Unser weiterer Weg führt uns jedoch raus aus der Stadt hinein in die Natur, wo wir an der sogenannten Côte d’Armor zwischen St. Malo und der bezaubernden, kleinen Hafenstadt Paimpol zahlreiche einsame Atlantikstrände und Buchten finden.
Hier können wir sogar direkt am Meer parkieren und im Wohnmobil übernachten, weil wir beinahe die einzigen Reisenden sind im Januar. Diese Exklusivität hat ihren Preis. Denn um diese Jahreszeit gibt es in der Bretagne zwar keinen Schnee, dafür aber heftigen Wind mit Sturmböen und typischem Küstenwetter, das sich von einer Minute auf die andere komplett ändern kann. Von strahlendem Sonnenschein zu Regengüssen wie aus Kübeln. Dazu sehr kurze Tage, denn es wird um ca. 16:00Uhr schon dunkel.
Für die Bretagne im Winter sollte man also abgehärtet und kleidungstechnisch auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Aber welcher Hundebesitzer ist das nicht? Belohnt werden wir dafür mit phantastischen Lichtstimmungen, die es so nur bei tief stehender Sonne im Winter gibt.
Ein Paradies für Hobbyfotografen, Hunde und Wanderer. Denn vom Mont Saint Michel im Norden bis nach St. Nazaire im Süden führt ein 2’000 km langer Küstenwanderweg, der sogenannte «Sentier des Douaniers» – der alte Zöllnerpfad, kurz GR 34 genannt.
Dieser gut markierte, rot-weiss ausgeschilderte Weg bietet entlang der abwechslungsreichen Küste phantastische Aussichten und unendliche Gassi- und Wandermöglichkeiten für Hündeler. Er zählt zu Frankreichs längsten Wanderwegen und bietet sich an für kurze Spaziergänge, Tagesetappen oder mehrwöchige Fernwanderungen. Es gibt sogar Reiseveranstalter, die unterschiedlich lange Touren auf dem GR 34 organisieren.
Wir begegnen diesem wunderschönen Weg bereits kurz nach St. Mâlo und werden ihn auf unserer fünfmonatigen Bretagne Reise immer wieder etappenweise erwandern. Von steilen Klippen mit bizarren Felsformationen an der Côte de Granit Rose über grüne Küstenwälder, vorbei an imposanten Leuchttürmen bis zu endlosen Sandstränden hat dieser Küstenwanderweg alles zu bieten, was sich Hundebesitzer und ihre treuen Vierbeiner nur wünschen können.
«Vielleicht sollten wir ihn irgendwann komplett am Stück wandern, nur mit Rucksack und zu Fuss, so wie die Route «München-Venedig», frage ich mich, wenn wir wieder ein besonders faszinierendes Stück entdecken. Dafür bräuchte man allerdings zweieinhalb bis drei Monate Zeit und eine gute Vorbereitung. Ausserdem empfiehlt sich dieses Vorhaben definitiv für die Frühjahrs- und Sommerzeit.
In den Wintermonaten werden wir so manches Mal auf unseren kurzen Wanderetappen von heftigen Regengüsssen und einer sehr steifen Brise überrascht, und freuen uns jedes Mal auf unser warmes, windgeschütztes Wohnmobil, einen heissen Tee und trockene Kleidung.
Im Frühling allerdings, wenn aufgrund des gemässigten ozeanischen Klimas und des Golfstroms die Natur deutlich früher erwacht als in der Schweiz, und die Tage wieder länger werden, wandert man auf dem GR 34 durch üppig blühende Hortensien, Wälder voller pink blühender Fingerhüte, vorbei an wilden Orchideen oder auf ginstergelben Klippenpfaden.
Die warme Zipfelkappe kann man dann zuhause lassen und sollte stattdessen eine gute Sonnencreme, einen Sonnenhut oder ein Kopftuch dabei haben. Und dennoch: auf einen kleinen Schauer muss man in der Bretagne immer gefasst sein. Denn das unvorhersehbare Wetter und eine steife Brise gehören zu dieser Region wie der Humor, mit dem die Bretonen sich selbst immer wieder darüber lustig machen.
Die Bretonen – charmante Gallier ohne Berührungsängste
Dieser trockene Humor ist es auch, den sie mit den Briten gemeinsam haben, und der bis heute von ihren ursprünglich britischen und irischen Wurzeln zeugt, die bis in die Zeit der römischen Kolonisierung zurückreichen. Deshalb nehmen die Bretonen mit ihrer eigenen Sprache keltischen Ursprungs auch heute noch innerhalb Frankreichs eine besondere Stellung ein und pflegen ihre eigene Kultur. Hierin liegt vermutlich auch die Inspiration der Comic-Väter für die «unbeugsamen Gallier» und ihre Erlebnisse mit dem Rest der Welt.
Ähnlich wie im Comic dürfen wir auf unserer Reise die Bretonen als sehr stolzes und selbstbewusstes, aber auch als geselliges, kommunikatives und sehr offenes Volk erleben. In ländlichen Gegenden und kleinen Städten wird uns stets lächelnd ein fröhliches «Bonjour» entgegengebracht, das wir gern erwidern. Monet wird von den meist tierliebenden Bretonen oft und gern gestreichelt. Und nach seinem Namen gefragt, jedes Mal mit einem augenzwinkernden Schmunzeln bedacht, wenn wir ihn als «Monsieur Monet» vorstellen. »Oh là là, le peintre!! Un artist… – ein Künstler!»
Bei so viel Aufgeschlossenheit darf sich der Wohnmobil Reisende auch nicht wundern, wenn es plötzlich an die Tür klopft, und in den vermeintlich einsamen Dünen ein alter Fischer vor einem steht, der Lust hat auf einen kleinen Schwatz. Glücklich, wer in dieser Situation ein wenig Französisch spricht oder mit Händen und Füssen zu kommunizieren versteht. Denn so bekommt man sie hautnah und authentisch mit, die Herzlichkeit und positive, offene Neugier dieser charmanten «Gallier».
Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir auch so allerhand über den regionalen Fischfang und die Austern- und Muschelzucht in der Bretagne. Und ganz nebenbei auch, wie man eine Seezunge professionell häutet.
Frische Fische? Hier weicht die Realität vom Comic ab
Das Fachwissen des freundlichen, bretonischen Fischers konnten wir auf unserer Reise sehr gut gebrauchen, denn nirgends in Frankreich ist der Atlantikfisch frischer und die Auswahl an Meeresfrüchten grösser als in einer bretonischen «Poissonnerie» oder auf den zahlreichen Märkten, wo jedem Feinschmecker und Hobbykoch das Herz höher schlägt. Ganz im Gegensatz zum Angebot des Fischhändlers «Verleihnix», dessen «stinkender Frischfisch aus dem fernen Lutetia oder Massilia» beinahe in jedem Comic zum Streitpunkt wird.
Aber auch für Vegetarier ist die Bretagne ein Paradies, weil in diesem milden, feuchten Klima viele Gemüsesorten hervorragend gedeihen und auf den Märkten superfrisch und günstig angeboten werden. Wir sind jedenfalls sehr froh darüber, in diesem kulinarischen Schlaraffenland unsere gut ausgestattete Bordküche dabei zu haben und aus all den köstlichen frischen Zutaten wunderbare Menüs zu zaubern. Auch für unseren vierpfotigen Gourmet, Monsieur Monet, fällt natürlich hie und da ein Stückchen Fisch, eine gebratene Jakobsmuschel oder ein wenig Pâté als Belohnung nach stundenlangen Wanderungen ab.
Für Muschelliebhaber sei erwähnt, dass die perfekte Muschelsaison von September bis April dauert und in diesem Zeitraum das Angebot am grössten ist.
Für alle Gourmets, die gern im Restaurant speisen, noch der Hinweis, dass vor allem in den kleinen Fischerdörfern und Hafenstädten in den Monaten Januar und Februar viele Gasthäuser mangels Touristen geschlossen sind. Auch dies ein gutes Argument für Reisen mit eigener, mobiler Kombüse im Winter.
Wo findet man denn nun das «kleine, gallische Dorf» in der Bretagne?
In der Nähe von Pleumeur-Bodou in der nördlichen Bretagne gibt es das «Village Gaulois», wo auf einem grosszügigen, schön angelegten Naturareal mit See und Wald von den Einheimischen ein gallisches Dorf nachgebaut wurde. Speziell auch für Kinder auf jeden Fall einen Abstecher wert, und Hunde darf man an der Leine mitnehmen.
Auch im Algenfischerdorf «Meneham» bei Kerlouan findet man direkt am Atlantik die typisch gallischen Häuser und wähnt sich auf einer Zeitreise.
Unser Fazit zur Frage nach dem «wahren gallischen Ort» lautet nach fünf sehr intensiven und abwechslungsreichen Monaten in der Bretagne:
«Überall ein bisschen».
Denn all die vielfältigen, liebenswerten Eigenschaften, Besonderheiten, Charaktere und Landschaften der gesamten Region werden im Comic treffend und mit sehr viel Liebe zum Detail auf den Punkt gebracht. Wer ein Fan von Asterix, Obelix & Idefix ist, wird sie ganz sicher lieben, die Bretagne und ihre Bewohner. Mit ihren wilden, zerklüfteten Küsten, traumhaften Sandstränden, idyllischen Inseln, magischen Wäldern und ihrem rauen Charme hat sie unsere Herzen und das unseres Hundes «im Sturm» erobert.
Unsere persönlichen Lieblingsplätze in der Bretagne:
Le Mont Saint Michel – ein magischer, historischer Ort, obwohl er eigentlich zur Normandie gehört.
Saint Malo & Concarneau – die beiden schönsten Korsarenstädte am Atlantik.
Paimpol – ein sympathischer, kleiner Fischerort mit unendlichen Küsten-Gassiwegen, charmanten Restaurants und netten Galliern.
Die Côte Granit Rose bei Perros-Guirec – natürliche Felsskulpturen, die bei kitschigen Sonnenuntergängen zum Träumen anregen.
Der Sentier de Douanier GR 34 – einer der schönsten Küstenwanderwege rund um die Bretagne und Europas.
Der Zauberwald von Huelgoat – weil man hinter jedem Fels den Zauberer Merlin oder Asterix und Obelix auf Schweinejagd vermutet.
Die Halbinsel Crozon – weil es hier phantastische Wege entlang dramatischer Steilküsten und phantastische Lichtstimmungen gibt.
Die Surferbucht von Penhors – weil der Sandstrand hier endlos scheint und man im Winter stundenlang allein spazieren kann.
nurMut…die restlichen Geheimnisse der Gallier gilt es, selbst zu entdecken!
Sehr schöne Bilder und der Text hat mich inspiriert für unsere Reise in diesem Jahr in die Bretagne. Habe einige Ideen dazu bekommen was mein Partner und ich unternehmen können. Danke dafür und weiterhin gute Reise…Gruß Claudia
Liebe Petra, wieder ein wunderbarer Bericht, traumhafte Landschaft. Wie sieht die Winterplanung aus? Herzlichen Gruß Heidi